Einheit und Schisma (Rom, 6. Oktober 2021)

Wort gehalten von Metropolit Serafim zum Treffen des Gemeinsamen orthodox-katholischen Arbeitskreis „Hl. Irenäus“, Rom, 6. Oktober 2021.

Das Thema, das wir heute und in den nächsten Jahren behandeln und diskutieren werden – „Einheit und Schisma“ – ist von bleibender Aktualität. Die Kirche war im Laufe ihrer Geschichte immer mit zentrifugalen Tendenzen konfrontiert, die ihre Einheit geschädigt haben und zu Spaltungen und Schismen geführt haben. Wir Orthodoxen machen üblicherweise einen Unterschied zwischen Häresie und Schisma. Eine Häresie verfälscht das Dogma oder die Glaubenslehre der Kirche an entscheidenden Punkten. Daher stellen sich Anhänger einer Häresie außerhalb der Kirche und sind von der eucharistischen Gemeinschaft ausgeschlossen. Ein Schisma berührt kanonische Probleme oder Fragen der Kirchenstruktur und –organisation. Wenn ein Schisma sich radikalisiert, kommt es einer Häresie gleich und führt zum Bruch der eucharistischen Gemeinschaft. Eine Häresie entsteht aus dem Versuch, das Geheimnis des Glaubens (Mysterium fidei) mit der Vernunft zu erklären, um es für den menschlichen Intellekt verstehbar zu machen, was aber im Grunde seine Auflösung bedeutet. Doch sowohl die Häresie, als auch das Schisma können auch subjektive Gründe haben und in ethnischen Interessen (Philetismus), politischen Absichten oder persönlichen Ambitionen begründet sein. Alle Kirchenväter unterstreichen, dass es keine größere Sünde gibt als jene der Kirchenspaltung.

Im Allgemeinen wurden Häresien und Schismen von Dienern der Kirche hervorgerufen, Priestern oder Bischöfen. Wenn ein Bischof seiner Kirche den Gehorsam verweigert und die  Gemeinschaft mit seiner Kirche aufgibt, dann trennt er sich von seiner Kirche und wird ein Häretiker oder ein Schismatiker. Er wird von der Synode der Bischöfe nur dann wieder in die Gemeinschaft der Kirche wieder aufgenommen, wenn er um Vergebung bittet und Buße tut. Ein gutes Beispiel dafür haben wir beim „Meletianischen Schisma“ im 4. Jahrhundert.

Die Orthodoxe Kirche ist eine synodale Kirche par excellence, und dies auf allen Ebenen: auf lokaler, regionaler und weltkirchlicher Ebene. Alle wichtigen Entscheidungen und Beschlüsse werden durch Beratung in der Synode getroffen. Wenn der Vorsteher der Synode nicht seinen persönlichen Willen aufzwingt, sondern sich in aller Demut darum bemüht, Einstimmigkeit herzustellen oder eine Mehrheit zu finden, dann wird die Synode vom Heiligen Geist unterstützt, wie es auch in der Apostelgeschichte heißt: „Beschlossen haben der Heilige Geist und wir“ (Apg. 15, 28). Wenn Interessen fern vom Geiste Christi, des Demütigen und bis zum Tode Gehorsamen, eine Synode dominieren, dann wird diese Synode nicht vom Heiligen Geist getragen und ihre Beschlüsse bauen die Kirche nicht auf, sondern schwächen sie oder spalten sie sogar.      

Gegenwärtig ist die Orthodoxe Kirche mit einem Schisma konfrontiert, auch wenn dies nur von einer Seite ausgeht, und zwar zwischen dem Patriarchat von Konstantinopel und dem Russischen Patriarchat zur Frage der Autokephalie der Ukrainischen Kirche, die vom Ökumenischen Patriarchen ohne vorherige Konsultation mit den anderen autokephalen Orthodoxen Kirchen verliehen wurde. Dies ist ein gefährliches Schisma, das zum Bruch der orthodoxen Einheit führen kann, wenn das Problem nicht auf synodalem Wege gelöst wird. Dieses Schisma stärkt bereits bestehende schismatische Tendenzen und Begehrlichkeiten zum Thema Autokephalie in anderen Teilen der orthodoxen Welt.   

Ich bete zum Herrn, dass er unsere Beratungen segnen möge und uns mit Seinem Heiligen Geist beistehen möge!

† Metropolit Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa