Wie können Christen Europa verändern? (Freising 15.-18.9.1999)

3. Internationaler Kongress RENOVABIS in Freising 15.-18.9.1999

 

Europa und die Christen – eine orthodoxe Perspektive

Mit meinem Bart sehe ich zwar Bischof Irinej von Novi Sad ähnlich, (und allen orthodoxen Bischöfen!) aber es ist doch schade, daß Bischof Irinej auf der Synode in Belgrad sein muß.

Als ich mich vor einigen Tagen bereit erklärte, ihn zu vertreten, war das meine Antwort auf die Bitte von RENOVABIS.

In der Atmosphäre von RENOVABIS fühle ich mich geborgen und bringe gern die Stimme der Orthodoxie ein. Ich fühle mich besonders geborgen nach der wunderbaren Predigt von Kardinal König heute früh und nach den einfühlsamen Worten von Erzbischof Kretschmar eben.

 

„Wie können Christen Europa verändern?“ – da sage ich gern schlicht einige Gedanken, die mir aus der Perspektive eines orthodoxen Bischofs mitten in Deutschland kommen, wo ich doch nachdenklich werde, wenn ich die Religiosität in meinem Heimatland Rumänien nach Jahrzehnten atheistischer Propaganda mit der Religiosität hier vergleiche. Ich wage nicht, zu entscheiden, wo man sich mehr von den christlichen Wurzeln entfernt hat…

RENOVABIS ist zu danken, daß zum Thema „Europa und die Christen“ neben der evangelischen Perspektive und einer westlichen katholischen Perspektive auch eine östliche Perspektive gefragt ist, von den orthodoxen Kirchen, die in ihrer Selbstbezeichnung das Wort „katholisch“ (oder „allgemein“) immer beibehalten haben.

Daß auch die Orthodoxen um ihre Perspektive ausgerechnet von Europa gefragt werden, ist keineswegs selbstverständlich. Erst kürzlich hat der österreichische Finanzminister Johannes Franleitner gesagt, Europa höre dort auf, wo die orthodoxen Kirchen anfangen, und hat das nach erstaunten Rückfragen der österreichischen Katholiken und Protestanten nochmal bekräftigt. Und die orthodoxen Griechen sagen selbst, wenn sie z.B. nach Deutschland fahren „wir fahren nach Europa“ – ausgerechnet die Griechen, die Europas Demokratie grundgelegt haben. (Ich habe allerdings auch schon Bayern gehört, die nach Hamburg fuhren und sagten „wir fahren nach Deutschland“).

Wir Orthodoxen fühlen uns jedenfalls von Herzen zu Europa gehörig und für Europa verantwortlich. Das kam beim Papstbesuch in Rumänien hervorragend zum Ausdruck.

 

Wir Orthodoxen ?

Die Bezeichnung „Orthodox“ hat sich seit einigen Jahrhunderten für die Kirchen eingebürgert, die von der Konfession her katholisch sind, aber das Christentum vom östlichen Teil des Römischen Reiches bekommen haben und heute die moderne Ausformung der Rolle des Bischofs von Rom nicht anerkennen. Die orthodoxen Kirchen sind in Europa, sie sind fast alle Gründungsmitglieder oder Mitglieder der Konferenz Europäischer Kirchen KEK und des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf.

Die Orthodoxen fühlen sich als eine orthodoxe Gemeinschaft, sind aber verwaltungsmäßig von einander unabhängig – autonom, autokephal, sagen wir – z.B. Russische Orthodoxe Kirche, Serbische Orthodoxe Kirche, Rumänische Orthodoxe Kirche. Auch z.B. Armenische Orthodoxe Kirche mit Sonderstellung.

Alle diese Kirchen sind nicht nur in Osteuropa, alle haben große Bistümer in Westeuropa, in Deutschland z.B. bin ich nur einer von nicht weniger als 18 orthodoxen Bischöfen!

Die Orthodoxen sind schon immer in Europa. Vor zwanzig Jahren sagte der rumänische Philosoph Constantin Noica, dass Europa entstanden ist im Jahre 325 auf dem Konzil von Nizäa. Eusebius von Caesarea berichtet: Vertreter aller Kirchen nahmen teil, aus ganz Europa, aus Libyen und Asien.

Europa baut sich auf als Synthese aus Hellenismus, christlicher Spiritualität, römischer Zivilisation – und manches von dem ganz alten ist uns durch die islamischen Wissenschaftler überliefert worden. Die treibende Kraft, die Hefe für dieses Wachsen Europas war das Christentum, finde ich mit Yves Congar: Europa wurde durch das Christentum geschaffen. Das moderne Europa kann nicht ohne das Christentum aufgebaut werden.

Das klingt so vertraut. Und doch weiß ich, daß Sie, liebe Freunde, oft Schwierigkeiten haben, mit den Orthodoxen darüber zu reden. Das liegt manchmal an der Sprache – Sie merken, wie schwer mir das Deutsche fällt – es liegt auch daran, daß Orthodoxe immer wieder Angst und Minderwertigkeitskomplexe haben wegen solcher Äußerungen wie die von Minister Franleitner Europa hört dort auf, wo die orthodoxen Kirchen anfangen.

Franleitner beruft sich auf Samuel Huntington, den Harvard-Soziologen. Vor drei Jahren 1997 hat der frühere US-Staatssekretär Henry Kissinger Huntingtons Gedanken in einem Interview mit der türkischen Zeitung Turkish Daily als seine eigene Meinung wiederholt und die Griechen angegriffen, die für ihn Symbol der orthodoxen Kultur in Europa sind. Ich zitiere Kissinger: die Griechen sind schwer zu regieren, wir müssen sie im Herzen ihres kulturellen Erbes treffen, wir müssen mutige Schläge führen gegen ihre Sprache, ihre Religion, ihre Kultur, und sie damit an jedem Fortschritt hindern, und verhindern, daß sie sich über andere erheben und dominant werden im Balkan oder im östlichen Mittelmeer. Diese Regionen sind von einer lebenswichtigen Bedeutung für die Politik der Vereinigten Staaten.

Die orthodoxen Griechen reden viel über diese Thesen. Griechenland zu bombardieren, ist im Moment politisch nicht machbar, meinen sie. Aber die Bomben auf Serbien erklären die Griechen mit den Kissinger-Thesen.

Die österreichische Zeitung DIE PRESSE kam vor einigen Wochen mit einem Leitartikel: Der serbische Nationalismus wird erst aufhören, wenn die orthodoxe serbische Kirche verschwunden sein wird.

Hier würde Bischof Irenej viel erzählen können, z.B. wie die serbischen Bischöfe schon 1989 gegen die Aufhebung der Autonomie der Provinz Kosovo durch die jugoslawische Regierung protestiert haben. Im Westen ist das, und vieles andere, nie bekannt geworden.

Der serbische Kirchen-Vertreter bei einer Kirchenkonferenz in Bukarest im März berichtete anschaulich, wie gut die christlichen Klöster im Kosovo bei den albanischen Muslimen angesehen sind, wie die Muslime Wallfahrten und Feste mit ihnen feiern, wie die Muslime diese serbischen Klöster gegen Angriffe der albanischen Terroristen geschützt haben. „Die christlichen Klöster sind im Kosovo angesehener als im EU-Schwellenland Türkei“, sagte Pfarrer Prof. Simić in Bukarest.

Der Westen hat im Laufe der Jahrhunderte eine Kultur und eine Wirtschaft hervorgebracht, die Modell wurde für den gesamten Erdball. Osteuropa konnte unter der Türkenherrschaft und unter dem Kommunismus keine eigenen Modelle entwickeln, außer in religiöser Kunst und Literatur. Die beiden Heiligen aus Thessaloniki sind dafür Beispiel, jedenfalls Symbol, Kyrill und Method.

Wir Orthodoxen haben sehr aufmerksam festgestellt, daß die heiligen Kyrill und Method vor 20 Jahren zu Patronen Europas bestellt wurden, mit dem heiligen Benedikt. Benedikt steht für die großartigen Leistungen des Westens, auch für die Intelligenz, für materiellen Reichtum und Macht.

Kyrill und Method stehen für die reiche Spiritualität des Ostens, die wir dem Westen gern noch weiter erschließen. Die Ikone ist schon ein Beispiel. Vielleicht wird nie möglich, eine wirtschaftliche Einheit und Gleichheit in Europa zu schaffen. Aber eine spirituelle Einheit kann und wird Europa werden. Eusebius habe ich oben für das Konzil von Nizäa zitiert. Er fährt dort fort: Nach dem Willen Gottes muß die allgemeine Kirche eins sein für ein gemeinsames Reich. Wenn auch ihre Mitglieder verstreut sind und an verschiedenen Orten, so sind sie doch alle belebt durch den selben Geist. Christliches Europa bedeutet also Communio.

Ich höre darum sehr aufmerksam, wie der Präsident der Europäischen Kommission Jacques Delors (1985-1995) von der „Suche nach einer Seele für Europa“ spricht, und Jacques Santer und Romano Prodi es wiederholen vor dem Hintergrund, daß wirtschaftliche und politische Überlegungen nicht genügen, um Europa entstehen zu lassen, und die Macht des Marktes nicht die allein einigende Funktion für Europa sein dürfe.

Deshalb machen die Orthodoxen jetzt gern mit, bei den kirchlichen Vertretungen bei der EU in Brüssel, es gibt eine Reihe kirchlicher Vertretungen

– mehrere von den protestantischen Kirchen: eine von der EKD, eine vom Diakonischen Werk, eine in Zusammenarbeit mit der KEK, der Konferenz Europäischer Kirchen, in der auch die orthodoxen Kirchen Mitglied sind von Polen bis Armenien und Georgien, Griechenland bis Finnland.

– mehrere von der katholischen Kirche: eine Vertretung der Bischofskonferenzen aus dem EU-Bereich, eine von den Jesuiten, eine von Kolping, eine von den Dominikanern. – mehrere von der orthodoxen Kirche: seit 1995 eine Vertretung des Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel Istanbul – seit diesem Jahr 1999 eine Vertretung der orthodoxen Kirche von Griechenland, ebenfalls seit 1999 eine Vertretung der orthodoxen Kirche von Rußland.

Der Präsident der katholischen Vertretung der Bischofskonferenzen in Brüssel ist der Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer, er ist unermüdlich bei den orthodoxen Kirchen in Osteuropa unterwegs, um für orthodoxes Mitdenken und orthodoxes Sicheinbringen in Brüssel bei der EU zu werben, 1999 war er deswegen in Minsk und in Belgrad, für Januar 2000 stehen Reisen nach Athen und zu meinem rumänischen Patriarchen nach Bukarest auf dem Programm von Bischof Josef.

Es wäre absurd, zu sagen, daß sich die Orthodoxie Europa widersetzt, so der Ökumenische Patriarch Bartholomaios. 1994 war er beim Europäischen Parlament in Straßburg und sagte: Es ist frappierend, daß unsere traditionelle orthodoxe Kirchenstruktur sich wiederfindet als Prototyp der Struktur der Europäischen Union. Die orthodoxen Kirchen sind demokratisch organisiert, mit großer administrativer Autonomie und Autorität der lokalen Bischöfe, Patriarchen, autokephalen Kirchen, aber mit einer großen Einheit in der Feier der Eucharistie. In Europa haben Sie das übernommen unter dem Titel „Subsidiaritätsprinzip“. Eine rein politische Union, abgetrennt von der Zivilisation, also losgelöst vom tiefen Sinn menschlicher Beziehungen, kann nie zu einer Einheit Europas führen. Die Einheit, die die Völker Europas erhoffen, kommt aus der Einheit der Communio, aus einer gemeinsamen Auffassung vom Wert des Lebens, aus dem gemeinsamen Ziel aller menschlichen Beziehung. Soweit Patriarch Bartholomäus.

 

Wie können Christen Europa verändern?

Jetzt komme ich zur zweiten Hälfte meiner Perspektiven. Ich zähle als Beispiel acht oder neun Erfahrungen auf, die die Orthodoxen in Europa einbringen können.

 1. Die Orthodoxie kann ihren tiefen Sinn für die Person einbringen, der zugleich Einheit und Verschiedenheit ist, nach dem Abbild der Heiligsten Dreifaltigkeit.

Die orthodoxe Theologie unterscheidet deutlich zwischen „Person“ und „Individuum“, da können wir Orthodoxen etwas einbringen in eine Kultur, die auf Individualismus aufzubauen scheint.

Ich verweise symptomatisch auf die Verfassung der USA, Wohl des Individuums, die Rechte des Individuums.

Die Erbsünde, die Furcht vor dem anderen Menschen und die Abweisung des anderen Menschen verdunkeln den Charakter der Person als Bild und Gleichnis Gottes und erniedrigen ihn zum Individuum.

Individuum ist isoliert, getrennt von den anderen, auf sich selbst konzentriert, mit dem egoistischen Ziel nach individuellem Glück, Selbstverwirklichung. Person ist Beziehung, für die alle anderen ontologischer Teil der eigenen Identität sind. Vladimir Lossky sagt es ziemlich hart: Individuum ist Person auf der untersten Stufe ihrer Existenz.

 2. Europa kann aufgebaut werden durch eine Kultur der Communio, in der die Person höchstes Ziel ist, nicht das Individuum. Notwendig geht die Communio mit dem anderen durch die Erfahrung des Kreuzes Christi durch die Hingabe seiner selbst zugunsten des anderen – das ist uns drei Tage nach dem Fest Kreuzerhöhung gut im Herzen. Hier kann die Orthodoxie ihren ganzen asketischen und mystischen Reichtum einbringen, die Erfahrung im geistlichen Kampf, der seine Gesetzmäßigkeiten hat (Paulus beschreibt sie präzise im ersten Brief an die Korinther (9,24-27). Dabei geht es nicht darum, das Fleisch zu töten, sondern die Leidenschaften, und so die innere Freiheit zu gewinnen. Askese zum Freiwerden von der Abhängigkeit von der Materie.

3. Die Christen des Ostens können Erfahrungen einbringen, wie Christentum überlebt auch unter anscheinend freundlichen, aber übermächtigen gesellschaftlichen oder staatlichen oder wirtschaftlichen Zwängen, können Überlebenschancen für geistige Unabhängigkeit zeigen, sehr flexibel je nach den Umständen.

Beispiel für Unabhängigkeit: ein in 40 bzw. 70 Jahren trainiertes gesundes Mißtrauen gegen Presse, Rundfunk, Fernsehen, die Medien.

4. Die Christen des Ostens können Erfahrungen einbringen, mit einer Überlebensstrategie von geistlichen spirituellen philosophischen ganzmenschlichen metaphysischen Werten in einer feindlichen materialistischen Gesellschaft. Hier haben die russische Kirche und die rumänische Kirche viel reflektiert und mitzuteilen. Es ist fast genau 40 Jahre her, daß Chru scov die Entstalinisierung einleitete und der russischen orthodoxen Kirche die wenigstens minimalen Möglichkeiten nahm, die Stalin ihr im Vaterländischen Krieg wieder eingeräumt hatte. 1960 kündigte Chruscov an, er werde im Fernsehen den letzten russischen Priester vorzeigen, noch bevor die nächste Generation des Sozialismus gekommen sei, und diesen letzten Orthodoxen dann ins Museum stellen.

5. Die Ostkirchen hielten und halten in der Verdrängung aus der Öffentlichkeit die Werte der Meditation und des Gebetes und der mystischen Erfahrung der Jahrtausende hoch, in jeder östlichen Kirche sind jeden Tag gemeinsames Morgengebet und gemeinsames Abendgebet, in Rußland auch täglich hl. Messe – und von da aus eine Fülle von persönlichem Einsatz des Christen im sozialen Bereich ohne staatliche Gesetze, und seit der Wende auch im gemeinschaftlichen Einsatz. Ganz wichtig ist dabei das Fasten – eine Katechese ohne Worte, zum Kirchenjahr und seiner Verkündigung. Das kann pädagogisch gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

6. Die Orthodoxen können Europa lehren, übergreifende Einheit Europa sinnvoll mit einem Betonen der regionalen Eigenarten zu verbinden.

In den Orthodoxen hat Herr Stoiber vielleicht die besten Verbündeten für das „Europa der Regionen“. Die Ostkirchen betonen das weltweite am Christentum, („weltweit“ heißt auf griechisch: katholisch, ökumenisch;, „weltweit“ heißt auf lateinisch: global) aber sie wissen es zu verbinden mit einer Fülle von unterschiedlichen Ausprägungen je nach Sprache und Gegend. Wenn heute auch in Europa das Zusammenrücken der Völker und die Uniformierung, die Menschen wieder drängt, in die kleine Differenz zu flüchten – bis zu Waffengebrauch (Schweizer Kanton Jura) oder sogar zu Bürgerkriegen (Tschetschenien) – könnten wir die Orthodoxen befragen, wie die Orthodoxen durch Jahrhunderte die Einheit bewahrt haben und doch „den Narzismus des kleinen Unterschiedes“ wohlwollend aushielten – wie es Freud ausdrückt.

Mit den Augen eines EU-Politikers in Brüssel gesehen: die katholischen Kontaktstellen in Brüssel wird er immer verdächtigen, sie betonten zu sehr die weltweite, die europaweite Einheit. Die evangelischen Kontaktstellen in Brüssel wird er verdächtigen, sie betonten zu sehr das nationale, regionale. Von den orthodoxen Kontaktstellen erhofft er sich unverdächtige Hinweise, wie beides zu verbinden ist.

7. Während wir heute im Westen Glaube und Kirche in eine reine Privatsphäre schieben, geht der Osten noch davon aus, daß es eine Weltanschauung geben muß, um Sinnhaftigkeit des Lebens in einer Gesellschaft zu haben. Wenn Weltanschauung zum Monopol wird und aufgezwungen wird, muß sie scheitern. Die Ostkirchen wissen, daß sie ihre Kirchlichkeit einbringen für die Welt. Da haben sie eine verblüffende Einheit von Sakralität und Profanität. Beispiel: die Texte des Gottesdienstes der Eheschließung sind praktisch identisch mit den Texten des Gottesdienstes der Weihe eines Gotteshauses! und der Gottesdienst darf nie nur dem Wort nach schön sein, es braucht eine Harmonie von Wort und Gesang und Zeichen und Weihrauch und Licht und Architektur.

8. Erfahrungen im Zusammenleben mit dem Islam – da habe ich oben den serbischen Professor zitiert.

9. Weil das so spirituell klingt, schließe ich meine Aufzählung dessen, was die Orthodoxen einbringen könnten, mit einem im Westen sehr aktuellen Thema: Ökologie.

Umgang mit der Umwelt, mit der Schöpfung, das ist kein modernes Hobby, das basiert auf der Schöpfung, auf der Kosmologie der Kirchenväter, auf der holistischen Vision der großen russischen Theologen dieses Jahrhunderts.

Die orthodoxen Patriarchen haben gemeinsam 1992 ein Fest der Umwelt in den kirchlichen Kalender gestellt, am 1. September zu Beginn des orthodoxen Kirchenjahres. Die eigens geschaffenen liturgischen Texte für das Fest der Umwelt sprechen davon, daß der Mensch ein Mikrokosmos ist, der in sich die ganze Schöpfung zusammenfaßt, der „Adam total“, dessen Erlösung – lassen Sie mich aus aktuellem Anlaß sagen: dessen Rechtfertigung – die Harmonie und die ontologische Einheit der ganzen Menschheit und des ganzen Kosmos wieder herstellt. Ein solcher Mensch ist von nichts und niemandem mehr getrennt. Er ist verantwortlich für alles, denn alles lebt in ihm.

Patriarch Bartholomäus und die orthodoxen Patriarchen haben das mit einer Ökologischen Rundfahrt auf dem Schwarzen Meer im Jahr 1998 ins Bewußtsein Europas gerufen.

Heut in einem Monat, am 16. Oktober 1999 beginnt ein dritte Ökologische Fahrt der Orthodoxen, diesmal auf der Donau, hier auf dem Flughafen werden die Gäste aus ganz Europa landen. Die Fahrt beginnt in der Abtei Niederaltaich mit der Segnung der Donau und geht flußabwärts durch Österreich, Slowakei, Ungarn, Serbien, Bulgarien, Rumänien bis nach Tulcea bei der Ukraine.

 

Ein Zitat zum Schluß

Ganz zum Schluß lasse ich noch den russischen Erzbischof Longin von Klin sprechen. Er wurde im Juli 1999 von einer deutschen Zeitung (Orthodoxie aktuell) interviewt. Frage der Zeitung:

Herr Erzbischof, Sie sind beauftragt mit der Wahrnehmung der Kontakte der Russischen Kirche zur Europäischen Union. Wie sehen Sie dabei die Rolle dieser Kirche, die ja in einem Land ihr Zentrum hat, das nicht zur EU gehört? Warum ist eine besondere Kontaktstelle des Moskauer Patriarchates zur EU eingerichtet worden?

Erzbischof Longin: … Es gibt einen kirchlich-geistlichen Grund für unsere Kontaktpflege: Wenn sich Europa vereinigt, macht es auch neue Gesetze, die für ganz Westeuropa einheitlich werden sollen. Leider müssen wir dabei die Tatsache konstatieren, dass die westlichen Länder beginnen, auch Osteuropa an ihren Maßstäben zu messen und von ihm Dinge zu verlangen, die nicht der osteuropäischen Tradition entsprechen. Wir dürfen nicht übersehen, daß das westeuropäische Denken weitgehend auf dem französischen Denken – mit Beigaben des deutschen und etwas englischen wie spanischen – basiert, dass diese Ansätze für die osteuropäischen Länder aber oft sehr fremd sind. Immerhin besteht der Großteil der Menschen in Osteuropa aus orthodoxen Christen, die ihre eigene zweitausend Jahre alte Tradition haben, die nicht von jenen Neuerungen geprägt worden ist, wie Reformation und Aufklärung; bei uns gibt es andere Betonungen und Akzentsetzungen. Darüber wollen und müssen wir die Europäische Union informieren, müssen ihr sagen, was in unserer Sicht gute alte osteuropäische Tradition ist.

 

Serafim

Erzbischof und Metropolit