Fanatismus – Sünde gegen den Heiligen Geist (Josefstal, 28.05.2017)

Vortrag gehalten am Internationalen Zentrum für ökumenischen Studien, Josefstal bei München, Bayern, 28. Mai 2017

 

Zuerst möchte ich der Evangelischen Kirche in Bayern danken, insbesondere aber dem hier anwesenden Pfarrer OKR Michael Martin, für die Einladung an der gemeinsamen Freude des 50jährigen Jubiläums der Gründung des Zentrums für Ökumenische Studien in diesem wunderbaren Ort Josefstal teilzunehmen.

Das heutige Jubiläum ist in erster Linie ein Anlaß, Gott zu danken für all das was Er in den Seelen der unzähligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den Kursen in Josefstal bewirkt hat. Gott hat, wie Apostel Paulus in 2. Korintherbrief sagt (2 Kor 6,13) die Herzen des Jeden ausgeweitet, damit Jeder auch die Anderen in sich aufnehmen kann und dadurch die Gemeinschaft aller im Heiligen Geist verwirklicht werde. Ich selbst habe hier, wiederholte Male, tief geistliche Momente erlebt und ich konnte fühlen wie ich eins war mit allen Anwesenden. Das ist das Wunder, das der Heilige Geist jedes Mal bewirkt, wenn die Christen untereinander ohne Vorurteile sich begegnen, mit dem ganzen Respekt den sie sich gegenseitig schulden und mit dem innigsten Wunsch, dass sie sich gegenseitig bereichern vom jeweils Spezifischen des Anderen. „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!“ (Psalm 132/133,1). Ich bin mir sicher, dass alle die in Josefstal einmal waren, den hier erlebten Geist der Brüderlichkeit und der Begeisterung für ein stärkeres Engagement in der eigenen Kirche, im ökumenischen und im interreligiösen Dialog und in der Gesellschaft – diesen Geist mit nach Hause genommen haben, in die eigene Familie und in die Gemeinschaft zu der sie gehören. Überall braucht man Christen, die sich verantwortungsvoll in der Kirche, in der Politik und in der Gesellschaft engagieren. Das war und ist auch die Charta dieses gesegneten Ortes: die Menschen aneinander näher zu bringen und sie motivieren für ein verantwortungsvolleres Engagement in der Kirche und in der Gesellschaft! Deshalb sollen wir der Evangelischen Kirche in Bayern danken für die Initiative der Gründung dieses Zentrums, mit all den humanen und materiellen Anstrengungen welche die Unterhaltung eines solchen Projektes mit sich bringt.

Da wir in ziemlich düsteren und unsicheren Zeiten leben, in denen man leicht in unterschiedliche Extreme geraten kann, vor allem aber in den religiösen oder ethnischen Fanatismus, wie dies leider der Fall auch in der Orthodoxen Kirche ist, glaube ich, dass Sie sich in der Zukunft auch diesem Thema des religiösen Fanatismus widmen sollten.

 Der religiöse Fanatismus ist Sünde gegen den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit und der Gemeinschaft. Ich erlebe selbst, gemeinsam mit der ganzen Synode der Rumänischen Orthodoxen Kirche und gemeinsam mit der ganzen Pleroma der Kirche, das Drama eines höchst aggressiven Fanatismus, der nach der panorthodoxen Synode auf Kreta (Juni 2016) zum Vorschein gekommen ist. Obwohl die Zahl derjenigen, die die Entscheidungen der Synode ablehnen, nur einige Dutzende Personen beträgt, vor allem Mönche (die wiederum von einigen Mönchen vom Berg Athos beeinflusst werden), sind der Aufruhr und die Verwirrung, die diese Gruppierungen unter den Gläubigen ausgelöst haben, groß. Dazu trägt auch einen Teil der Presse bei, die kirchenfeindlich eingestellt ist.

Der religiöse Fanatismus ist in der Tat nicht nur eine Sünde gegen den Heiligen Geist, sondern auch eine echte geistige Krankheit. Eigentlich ist die Krankheit eine Konsequenz der Sünde. Man kann mit denjenigen, die von diesem Fanatismus ergriffen sind, gar keinen Dialog führen. Die Fanatiker sind dialogunfähig, was einer totalen Entstellung des menschlichen Wesens gleichkommt, zumal der Mensch sich gerade dadurch kennzeichnet, dass er dialogfähig ist. Der Fanatismus ist Sünde gegen den Heiligen Geist, auch weil der Heilige Geist der Geist der Freiheit und der Einheit ist. Der Fanatiker aber ist der Sklave seiner eigenen Vorstellung, die er als Wahrheit aufstellt und die er auch Anderen aufzwingen will. Gerade weil er unfrei ist, kann der Fanatiker die Freiheit Andersdenkender nicht akzeptieren und versucht sie zu gewinnen mit Mitteln die dem Geist Christi fremd sind; damit sät er überall nur die Samen des Zweifelns, des Streites und der Spaltung. Der religiöse Fundamentalismus instrumentalisiert die Glaubenswahrheit, er benützt sie als Waffe gegen die Anderen und als Mittel zur Spaltung der Kirche, als ewigen Streit um Worte. „Jedes Wort kann einem anderen Wort widersprechen, aber welches ist das Wort welches dem Leben widersprechen kann?!“ sagt Hl. Gregorius Palamas im 14. Jahrhundert. Und der Heilige Gregor von Nyssa (4. Jahrh.) sagt, dass die dogmatischen Wahrheiten der Kirche zu Götzen werden können, wenn sie der Liebe entleert sind: „Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ (2. Kor. 3,6). Selbst der Buchstabe der Hl. Schrift kann denjenigen töten, der die Schrift instrumentalisiert und nicht mit Demut aufnimmt!

Somit ist der religiöse Fanatismus die Negation der Religion selbst, die Negation Gottes, der den Menschen als freien Menschen geschaffen hat. Die Kirchengeschichte und die Geschichte der Religionen haben zu allen Zeiten Fanatiker gekannt, die der Religion mehr geschadet als genützt haben. Die Wahrheit kann nicht mit Gewalt durchgesetzt werden, sondern sie wird in Demut bezeugt.

Hl. Johannes Chrysostomos schreibt den Fanatikern seiner Zeit: „Den Frieden, den der Feind hasst, sollten wir wünschen. Wir sollten damit aufhören, die Worte des Dogmas abzuwägen und in die Schale zu legen. Wir sollten damit aufhören, Lehrer der Lehrer zu sein, den Kampf um Wörter sollten wir hassen, weil das nur zum Verderbnis der Zuhörer führt. So haben es uns die Väter überliefert. Wir sind nicht klüger als die Väter, wir sind nicht genauer als unsere Lehrer, wir sind nicht Hirten der Hirten, sondern Schafe…“

Ich darf auch ein Wort des rumänischen Metropoliten Bartholomeu von Cluj (gest. 2011) zitieren. Er war ein großer Theologe und gleichzeitig ein berümter Sriftsteller. Er ist der letzte Übersetzer der Bibel ins Rumänische (die Jubiläumsedition erschien im Jahre 2000). Bartolomeu sagt: „Glaube du deinen Glauben. Und respektiere den Glauben des Anderen. Auch wenn du nicht überzeugt bist, dass sein Glaube der wahre ist, musst du akzeptieren dass er, in seinem Glauben, ein ehrlicher, gutgläubiger Mensch ist und kein Täuscher. Der Muslim der zur genauen Zeit seinen Teppich aufs Gras aufrollt, sich Richtung Mekka wendet und sein Gebet aus dem Koran sagt, ist ein Mensch guten Glaubens, er tut das nicht um Ansehen zu erwecken, er tut das nicht fürs Fernsehen. Er tut das, weil er überzeugt ist, dass Allah ihn hört und ihm hilft. Es ist sehr wichtig dies zu betonen: man soll den guten Glauben des Andersgläubigen akzeptieren!“.

Wir können für die Fanatiker nur beten, da nur Gott das Herz der Menschen verwandeln kann.

Lasset uns beten, dass Gott auch unsere Herzen mehr ausweitet, damit wir in unsere Herzen alle Menschen aufnehmen können!

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Metropolit Serafim