„Darum legt die Waffenrüstung Gottes an…“ (Berin, 12.09.2023)

Wort gehalten zum Internationalen Treffen „Den Frieden wagen“, organisiert von der Gemeinschaft Sant’Egidio, 10.-12. September 2023, Berlin.

 „Darum legt die Waffenrüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils widerstehen, alles vollbringen und standhalten könnt! Steht also da, eure Hüften umgürtet mit Wahrheit, angetan mit dem Brustpanzer der Gerechtigkeit, die Füße beschuht mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes!“ (Eph 6,13-17).

Liebe Brüder und Schwestern in Christus,

Wie wir alle wissen, ist der Christ ein Soldat beziehungsweise ein Kämpfer für Christus. Wobei seine Waffen nicht weltlich sind, sondern geistlich., denn „wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel” (Epheser 6,12). In einem Exorzismus, der dem Sakrament der Taufe im orthodoxen Taufritus vorausgeht, sagt der Priester: „Fahre aus und gehe weg aus dem besiegelten, neuerwählten Krieger Christi, unseres Gottes!” Es folgen die sogenannten „Entsagungen des Satans”. Der Priester fragt drei Mal: „Entsagst du dem Satan und allen seinen Werken und allen seinen Engeln und all seinem Dienst und all seinem Prunk?” Und es antwortet jeweils der Täufling oder  sein Taufpate: „Ich widersage!” Und es folgt ebenfalls dreimal der Dialog: „Schließt du dich Christus an?” Worauf der Täufling antwortet: „Ich schließe mich Christus an!” Zum Ende des Taufgottesdienstes hin betet der Priester für den Neugetauften mit den Worten:  „Behüte ihn, dass er ein unbesiegter Kämpfer gegen jene bleibe, die vergebens Feindschaft gegen ihn und uns hegen!” 

Die Versprechen, die der Mensch bei der Taufe Gott gegenüber ausspricht und abgibt, müssen das ganze Leben lang eingehalten werden. Das christliche Leben ist im Grunde eine tägliche Reaktualisierung der Taufe, bei der wir die göttliche Gnade als Taufgnade empfangen haben, um Satan zu entsagen  und Christus nachzufolgen und uns mit Ihm in unserem Herzen zu vereinigen, wo Er auf geheimnisvolle Weise wohnt. Der heilige Symeon, der Neue Theologe (10. Jh.), sagt, dass wir nur in dem Maße Christen sind, in dem wir die in uns wohnende Taufgnade zum Wirken bringen, dem Satan und all seinem Wirken entsagen und uns immer mehr mit Christus vereinigen. Wenn wir die Gedanken dieses großen ostkirchlichen Mystikers weiter spannen, dann können wir sagen: Wir sind nicht allein durch unsere Weihe Priester oder Bischöfe, sondern nur in dem Maße, in dem wir die bei unserer Weihe empfangene Gnade zum Wirken bringen und den Glauben und die Lehre der Kirche respektieren, stärken und weitergeben, die uns in den Dienst als Hirten und Lehrer der Kirche berufen und dazu geweiht und gesendet hat. Jede von Gott empfangene Gnade erfordert ein Zusammenwirken mit Ihm – die orthodoxe Theologie spricht hier von Synergie. „Vernachlässige die Gnade nicht, die in dir ist und die dir verliehen wurde…” (1Tim 4,14). Sonst wird die empfangene Gnade zu einem Anlass für das Gericht: „Verflucht sei, wer des Herrn Werk lässig tut” (Jer 48,10). In diesem Sinne spricht auch der große Theologe und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer von der „teuren Gnade”, die mit viel Mühe für Christus zu vergelten ist. Es gibt eine Dynamik der Gnade: je mehr wir gegen die Sünde ankämpfen und uns bemühen, Gutes zu tun, umso stärker wird die Gnade in uns und gibt uns Kraft und Mut, den guten Kampf bis zum Ende zu führen.

Wenn jeder Christ ein Kämpfer für Christus ist und der Priester und der Bischof noch mehr, dann müssen wir auch alle wie Kämpfer leben und den geistlichen Kampf führen, wie es im Hebräerbrief heißt: „Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Christus, den Anfäger und Vollender unseres Glaubens.” (Hebr 12,1-2) Wer in den Kampf zieht, verwickelt sich nicht mehr in Geschäfte des alltäglichen Lebens, damit er seinem Herrn gefalle, der ihn angeworben hat (vgl. 2 Tim 2,4).

Die geistliche Waffenrüstung des Christen hat der heilige Apostel Paulus in dem zitierten Abschnitt aus dem Epheserbrief beschrieben:

Die Hüften umgürtet mit Wahrheit. Der Christ ist ein Mensch der Wahrheit: „Belügt einander nicht, denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Werken ausgezogen” (Kol 3,9). Die Wahrheit meint dabei nicht nur Worte, die wir verdrehen oder verfälschen können oder mit denen wir lügen können, sondern die Wahrheit ist Christus Selbst: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). Auch der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit (vgl. Joh 14,17) Deshalb ist die Lüge immer auch eine Sünde gegen den Heiligen Geist. Wer lügt hat den Teufel zum Vater, denn der Teufel ist „der Vater der Lüge” (Joh 8,44). 

Der Brustpanzer der Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit im christlichen Sinne ist nicht nur ein abstraktes juridisches Prinzip, sondern sie ist eine Tugend, durch die der Christ seine Pflichten gegenüber Gott und seinen Nächsten erfüllt. Ein gerechter Mensch ist streng gegenüber sich selbst, er respektiert die Rechte eines jeden Menschen und vergibt seinen  Nächsten auch deren Fehler.

Die Füße beschuht mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens bedeutet, immer bereit zu sein dafür, das Evangelium des Friedens zu verkündigen. „Wie lieblich sind (…) die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkünden, Gutes predigen, Heil verkündigen” (Jes 52,7) Nichts ist wertvoller als der Frieden zwischen den Menschen und Völkern, der seinen Ursprung im Herzen eines jeden Menschen hat. Denn wir können nicht Friedensstifter sein, wenn wir nicht in unseren Herzen selbst Frieden haben. Der Erlöser preist die Friedensstifter selig: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.” (Mt 5,9) Und der heilige Serafim von Sarov († 1833) sagt: „Erlange deinen Frieden des Herzens und Tausende von Menschen werden in deiner Umgebung erlöst.” Und der Frieden des Herzens wird durch viel Gebet und Askese erlangt.

Das Schild des Glaubens. Durch den Glauben überwinden wir alle Versuchungen, die vom Teufel, vom Körper und von der Welt über uns kommen. „Wer ist es aber, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist?” (1 Joh 5,5).  Der Glaube ist die Kraft Gottes in uns. Ohne Glauben ist der Mensch seelisch tot und versteht nichts von den Geheimnissen des Lebens. Dabei ist der wahre Glaube „der Glaube, der durch die Liebe tätig ist” (Galater 5,6). Denn „ohne Liebe wären wir nichts” (1 Kor 13,2)           

Der Helm des Heils ist die unerschütterliche Hoffnung und Gewissheit, dass Gott mit uns ist an allen Tagen bis an der Welt Ende (vgl. Mt 28,20). Und „wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein?” (Röm 8,31). Der wahre Christ verliert niemals die Hoffnung auf Erlösung und den Mut im Kampf gegen die Sünde und alles Böse und alle Bosheit dieser Welt. Der heilige Apostel Paulus schreibt: „Ich bin nämlich überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.” (Röm 8,18)

Das Schwert des Geistes aber ist das Wort Gottes. „Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens” (Hebr 4,12). Mit dem Wort Gottes können wir die Geister unterscheiden und uns von der Sünde und allen Versuchungen des Lebens fernhalten. Der Psalmist David spricht: „Dein Wort, o Herr, ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege” (Psalm 119,105). Und der heilige Abbas und Wüstenvater Antonius, der Vater des Mönchtums, gibt uns den geistlichen Rat: „habe für alles, was du tust, ein biblisches Zeugnis aus der Schrift”. Daher leiten uns die Geistlichen Väter an, immerzu das Wort Gottes in der  Heiligen Schrift zu lesen, das uns in jedem Moment unseres Lebens inspirieren kann, besonders wenn wir an einem Scheideweg stehen und eine Entscheidungen treffen müssen.       

† Metropolit Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa

Berlin, 12.09.2023