Die rumänische orthodoxe Diaspora in der Welt – Eine Erfolgsgeschichte? (Nürnberg, 14.11.2024)
Vortrag von Patriarchatsrat i. R. P. Michael Tița, Bukarest zur Tagung „Aus dem Wunsch der Gläubigen wurde Wirklichkeit. – 30 Jahre der Rumänischen Orthodoxen Metropolie für Deutschland, Zentral- und Nordeuropa”, Nürnberg, 14.11.2024
Text veröffentlicht in: Auftrag und Wahrheit 13|2024 – Ökumenische Quartalsschrift für Predigt, Liturgie und Theologie, S. 22-29
Der rumänische orthodoxe Priester und Patriarchatsrat im Ruhestand Vater Michael Tița war von 1991 bis 2024 Abteilungsleiter des Sektors für kirchliche und interreligiöse Beziehungen und Auslandsgemeinden im Patriarchat der Rumänischen Orthodoxen Kirche in Bukarest.
Nach allgemeingültigem Verständnis bezeichnet der Begriff Diaspora ursprünglich die Gesamtheit der jüdischen Gemeinden, die infolge der Zerstörung Jerusalems und der Vertreibung durch Nebukadnezar II., des Königs von Babylon, außerhalb von Palästina in der Zerstreuung leben, vor allem als Folge der babylonischen Gefangenschaft.[1]
Heute bezeichnet der Begriff in einem erweiterten Sinne jede ethnische Gruppe, die außerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes lebt.[2] So verstanden gibt es zahllose Diasporagemeinschaften, die überall auf der Welt verstreut und in unterschiedlichster Form leben und einen jeweils spezifischen Beitrag zur Diversifizierung der Kultur, Zivilisation und sogar zur Konturierung ihrer neuen Heimatländer beisteuern.[3]
Wenn wir von der rumänischen Diaspora sprechen, dann denken wir an jene, die außerhalb des heutigen Rumänien leben, an jene Verstreuten, unsere Nächsten, die sich aus verschiedenen Gründen dafür entschieden haben oder auch keine andere Wahl hatten, als das Land ihrer Geburt zu verlassen. War die überwältigende Mehrheit der rumänischen Diaspora vor 1989 gleichbedeutend mit der Exilmigration, so wurde die rumänische Diaspora nach 1990 und besonders nach 2007 – dem Jahr des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union – zum Ergebnis einer ökonomischen Migration jener, die im Allgemeinen mit dem Ziel eines besseren Lebens, um vor- teilhafterer beruflicher Möglichkeiten willen oder schlicht und ergreifend um einer neuartigen und von der zu Hause – vor allem aus der Sicht der jungen Generation – verschiedenen Erfahrung wegen ausgewandert sind.[4]
Im Blick auf den Charakter der rumänischen Diaspora muss ein Aspekt ganz besonders unterstrichen werden. Die rumänische Diaspora umfasst nicht die Rumänen und rumänischen Territorien, die ihren Ursprung in Rumänien selbst beanspruchen können, also jene Rumänen im Umfeld der der heutigen Landesgrenzen, die gegen ihren Willen dort leben, sei es dass diese Regionen früher zu Großrumänien gehört haben, sei es dass diese Rumänen zu einer kompakten rumänischsprachigen Bevölkeungsruppe gehören.[5]
Eine kurze historische Retrospektive
Nur wenige rumänische orthodoxe Bistümer und Pfarrgemeinden, die es vor 1989 in der Diaspora gab, haben nach diesem Jahr ihr Wirken fortgesetzt.[6] In den meisten Fällen jedoch kam es dank – oder besser: aufgrund – der „Explosion“ der Diaspora vor allem nach dem Jahr 2007 zu einer massiven Zunahme bei der Gründung von Bistümern bzw. Pfarrgemeinden und Gemeinschaften.[7] Dazu zählt auch die Rumänische Orthodoxe Metropolie von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa, die seitens der Heiligen Synode der Rumänischen Orthodoxen Kirche im Rahmen der Sitzung vom 22./23. Januar 1993 den Segen und die Zustimmung zu ihrer Gründung erhalten hat. Seit dem 5. Juni 1994 ist Seine Eminenz, Vater Metropolit Serafim, deren Oberhaupt. Aus diesem Grund und Motiv sind wir heute auch hier versammelt, um im Rahmen einer liturgischen Feier, mit Worten des Dankes und angemessenen Würdigungen den Beitrag aller festzuhalten und anzuerkennen, die bei der Gründung und weiteren Entwicklung dieser rumänischen Metropolie in den drei Jahrzehnten ihres Wirkens in pastoral-missionarischer, baulicher, sozial-philanthropischer und katechetisch-kultureller Hinsicht beigetragen haben. Durch all diese Aktivitäten und dieses Wirken haben die rumänischen orthodoxen Pfarreien und Gemeinden der Rumänischen Orthodoxen Metropolie von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa das Werk der Bekräftigung der Werte der rumänischen orthodoxen Identität und zugleich die Unterstützung der orthodoxen Rumänen in jenem Teil Europas fortgesetzt mit dem Ziel der Bewahrung jener Werte in all den Gesellschaften, in denen die Rumänen aufgenommen wurden und in denen sie sich temporär oder dauerhaft niedergelassen haben.
Um einmal mehr noch zusätzlich die Bedeutung der väterlichen Fürsorge für die Rumänen im Ausland zu unterstreichen, hat das Rumänische Patriarchat das Jahr 2021 zum Ehrenjahr der Seelsorge und pastoralen Betreuung der Rumänen außerhalb Rumäniens erklärt. Nach den Worten Seiner Seligkeit Patriarch Daniel in einer Ansprache zu diesem Anlaß „spüren die Rumänen in den rumänischen orthodoxen Kirchen im Ausland die Freude über das Wiederentdecken des Glaubenslebens ihrer Ahnen; sie nehmen am liturgischen Leben teil und lindern ihre quälende Sehnsucht nach ihren Lieben zu Hause und den Stätten ihrer Geburt, sie bekräftigen neu ihre tief verwurzelte (geistliche) Identität und entdecken ihre Wurzeln neu.“[8]
Herausforderungen und Chancen
Zweifellos stand und steht für sehr viele der zunächst befristet, später dann auf unbestimmte Zeit ausgewanderten Rumänen die Erfahrung des Lebens im Ausland für die Verwirklichung persönlicher oder familiärer Lebensentwürfe und auch eine gewisse Selbstverwirklichung, in erster Linie in materieller oder beruflicher Hinsicht. Die verschiedenen Entfaltungsmöglichkeiten und Chancen in beruflicher, bildungsmäßiger und sozialer Hinsicht beförderten die Manifestation jenes Gefühls der Selbstverwirklichung, das viele Betroffene als Ergebnis jener sehr oft als schmerzlich empfundenen Entscheidung einschätzen und wahrnehmen, sich von ihrer so vertrauten familiären und häuslichen Umgebung getrennt zu haben.
Sind ihnen Vorwürfe zu machen oder sind sie zu beglückwünschen? Vielleicht sind sie zu bemitleiden, weil ihnen ihr Heimatland keine Möglichkeiten oder machbaren Wege geboten hat, um zu Hause zu bleiben. Sind die Rumänen etwa nur wegen höherer Gehälter und infolgedessen nur aus materiellen Gründen ins Ausland aus- gewandert? Auf diese vielleicht rhetorisch erscheinende Frage können am ehesten die Rumänen in der Diaspora selbst antworten, die diese Wahl getroffen haben.
Ein zweifellos negativer Effekt der Auswanderung der Rumänen in den letzten Jahrzehnten ist ganz gewiss die spürbare Entvölkerung nicht nur der Dörfer, sondern auch der Städte Rumäniens, eine Entvölkerung, die wir aus Sicht unseres Landes als ein selbstbewirktes Desaster einschätzen können. Der Exodus aus Rumänien von über vier Millionen Menschen (wobei diese Zahlen nur ansatzweise geschätzt werden können, denn die Statistiken basieren auf mehrdeutigen Daten, die nur schwer zu er- langen und kaum zu aktualisieren sind)[9], stellt mit Sicherheit eine Herausforderung dar, deren Ausgang nicht einmal ansatzweise vollständig quantifiziert oder evaluiert werden kann, vor allem weil der Exodus der Rumänen bis heute anhält, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie heute vor 15 oder 20 Jahren.
In diesem Kontext hat die Emigration der Rumänen aus dem Land zahlreiche Herausforderungen mit sich gebracht. Zum Beispiel:
- Zehntausende Kinder sind bestenfalls bei den Großeltern, andernfalls bei irgend- welchen Verwandten geblieben, die jeweils mehr oder weniger an den daraus resultierenden finanziellen Vorteilen als am Wohl der Kinder interessiert sind;[10]
- Abertausende alter Menschen wurden dem Herrgott allein überlassen; sie werden im Idealfall einmal pro Jahr von den Ausgewanderten besucht und zwischenzeitlich gelegentlich telefonisch kontaktiert;
- Viele Familien sind auseinandergebrochen wegen der Trennung der Eheleute, die „zum Wohle der Familie“ ins Ausland gezogen sind;
- die Überalterung der Bevölkerung und Entvölkerung Rumäniens hat sich noch zu einem immer wahrnehmbareren Ungleichgewicht verstärkt, das wir – wenn überhaupt – nur noch schwer korrigieren können (vielleicht nur durch eine „Diaspora“, die aus allen Winkeln dieser Welt zuwandert);
- eine ganze Generation von Rumänen wird nicht mehr in Rumänien groß- geworden sein und nichts mehr zu einem größeren Wohlstand in Rumänien beitragen. Vergessen wir auch nicht, dass seit etlichen Jahren nach den aus der Diaspora überlieferten Daten mehr Kinder im Ausland getauft und mehr Paare im Ausland getraut wurden als in Rumänien selbst.[11]
Neben dieser Aufzählung negativer Aspekte können wir auch das Vorhandensein einiger positiver Entwicklungen im Blick auf unsere Nächsten festhalten, die aus Rumänien ausgewandert sind:
- Viele der ausgewanderten Rumänen haben ihre beruflichen Fertigkeiten perfektioniert und es geschafft, von ihren Mitbürgern in der neuen Heimat respektiert und wertgeschätzt zu werden;
- Die Rumänen wurden in den Ländern, in denen sie Aufnahme fanden, nolens-volens disziplinierter bei der Arbeit und in ihren Beziehungen zu anderen Menschen;
- Die Entfremdung im Sinne der Trennung vom heimischen Milieu führte auf paradoxe Weise in sehr vielen Fällen zu einer Steigerung des Zusammenhalts in den Gemeinschaften von Rumänen in der Diaspora. Dies wird am deutlichsten bei der Glaubensgemeinschaften und ist auch bei den Pfarreien und Gemeinden im Rahmen der Rumänischen Orthodoxen Metropolie von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa wahrnehmbar;
- Nicht zuletzt haben die Geldüberweisungen an die Daheimgebliebenen zur Steigerung des Lebensniveaus vieler unserer Nächsten im Heimatland bei- getragen.
Eine Herausforderung, die auch vom Spezifikum der jeweiligen Aufnahmeländer ab- hängt, stellt die jeweilige nationale Gesetzgebung einschließlich des Gesamtmosaiks der Europäischen Union im Blick auf die staatsrechtlichen Regelungen zu den Modalitäten im Blick auf die Organisation und das Wirken von Religionsgemeinschaften und ihrer offiziellen Anerkennung auf staatlicher oder regionaler Ebene dar.
So ist zum Beispiel die Kultusgesetzgebung in den Ländern, in denen sich das Wirken des Rumänischen Orthodoxen Erzbistums des Westlichen Europas entfaltet, uneinheitlich, sichert aber deren Freiheit und Selbstverwaltung.
Ein anderes Beispiel ist Italien, wo das Rumänische Orthodoxe Bistum von Italien schon im Jahr 2011 die rechtliche Anerkennung seitens des italienischen Staates erhielt, und das nur kurze Zeit nach dem Beginn der Verhandlungen zum Erlangen der sog. Intesa (also der Zustimmung, die Gesetzeskraft erlangen wird). Nach mehreren weiteren Treffen der Gemischten Kommission aus Vertretern des Staates und des Bistums wurde der entsprechende Text am 12. Februar 2024 aktualisiert; dieser finale Text wird dann von Vertretern der Regierung und des Bistums unterzeichnet und an- schließend auch im Parlament Italiens debattiert.
Das Rumänische Orthodoxe Bistum von Spanien und Portugal wiederum ist offiziell seit 2010 auf der ersten Stufe anerkannt durch die entsprechende staatliche Erklärung (Declaratión de notorio arraigo). Die Anerkennung auf höchster Stufe ist jedoch nur höchst mühevoll zu erreichen. Dazu ist ein „Abkommen zur Zusammenarbeit“ mit dem spanischen Staat zu unterzeichnen, was sich schon lange hinzieht, was eine negative Auswirkung auf das kirchliche Leben und Wirken der rumänischen orthodoxen Gemeinden in Spanien hat.[12]
Im Falle Deutschlands läuft derzeit noch das rechtliche Verfahren, bei dem es da- rum geht, implizit jenen Glaubensgemeinschaften legitime Rechte zu verleihen, welche die Rumänische Orthodoxe Metropolie von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa bzw. das Rumänische Orthodoxe Erzbistum von Deutschland, Österreich und Luxemburg formen. Dies hat bisher zur Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts (KdÖR) in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Berlin geführt.
Das Rumänische Orthodoxe Bistum von Nordeuropa schloss schon im Jahr 2010 die administrative Prozedur zur Anerkennung als religiöse Körperschaft unter der offiziellen Bezeichnung „Rumănska Ortodoxa Stiftet for Norra Europa“ ab und wurde so zu einer vollberechtigten Antragstellerin zur Abrufung von Finanzmitteln, die von den staatlichen nationalen und den lokalen schwedischen Behörden für Kulltusgemeinschaften angeboten werden.
Der rechtliche Status des Rumänischen Orthodoxen Bistums von Kanada ist der einer gemeinnützigen Non-Profit-Körperschaft, die gemäß der für Organisationen dieser Art geltenden föderalen Gesetzgebung des Landes funktioniert: diese sind The Canada Not- for-Profit Corporations Act und The Charities Registration Act sowie The Income Tax Act.
Das Rumänische Orthodoxe Bistum von Australien und Neuseeland bekam den Status einer juristischen Non-Profit-Person auf föderaler Ebene am 17. Juni 2008 verliehen. Die Herausforderungen, vor denen die Rumänen im Ausland stehen, sind auch Zuständigkeitsfragen, wobei es hier Unterschiede gibt.
Die Rumänen in den historischen Territorien im Umfeld der an Rumänien an- grenzenden Länder unterstehen der kanonischen Jurisdiktion des Rumänischen Patriarchats; sie stellen Sonderfälle dar, die auch spezifische pastorale und missionarische Herangehensweisen und Methodologien erforderlich machen. Für sie hat das Rumänische Patriarchat Eparchien reaktiviert (im Falle der Metropolie von Bessarabien in der Republik Moldau) oder für Rumänen in einigen Territorien auch neue Eparchien geschaffen (die früheren Vikariate in Serbien und Ungarn wurden in den Rang von Eparchien erhoben). Kürzlich hat das Rumänische Patriarchat auch die Rumänische Orthodoxe Kirche in der Ukraine gegründet für jene rumänischen orthodoxen Pfarreien oder Gemeinden aus dem Nachbarland, die sich dieser kirchlichen Struktur anschließen wollen und sich ihrer Jurisdiktion unterstellen wollen. Es gibt 127 rumänische orthodoxe Gemeinden in der Ukraine, die sich kompakt hauptsächlich in der Nordbukowina befinden.
Im Blick auf Regionen oder Länder, in denen keine lokale autokephale Orthodoxe Kirche existiert, unterstehen die rumänischen orthodoxen Pfarreien und Gemeinden aus jenen geographischen Räumen einer rumänischen Eparchie, wie es bei jenen aus Zentraleuropa, West- und Südeuropa und Nordeuropa, den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Südamerika sowie Australien und Neuseeland der Fall ist. In anderen Fällen anerkennen diese Pfarreien und Gemeinschaften die Jurisidiktion anderer orthodoxer Schwester- und Ortskirchen an, auch wenn die Kleriker und das nicht-geistliche Personal vom Rumänischen Patriarchat ernannt und unterstützt wer- den: dies gilt für Bulgarien, die Türkei, Zypern, Südafrika, Syrien und Libanon, Japan und die Vereinigten Arabischen Emirate (Dubai). Zwei weitere Sonderfälle sind die Pfarreien in Kroatien und Slowenien, die sich direkt in der Jurisdiktion des Rumänischen Patriarchats befinden.
Mögliche Lösungen
Ein Element von besonderer Bedeutung und größter Relevanz für die rumänischen Auslandsgemeinden ist die religiöse Erziehung der jungen Generationen mit dem Ziel, ihnen den Wert des Glaubens, der Sprache und der rumänischen orthodoxen Kultur zu vermitteln, in denen ihre Eltern und Großeltern geboren und aufgewachsen sind, und mit denen sie sich identifiziert haben, wenigstens bis zu ihrem Wegzug aus dem Land. Die Bildung und Schärfung des Bewusstseins der Kinder und der Jugendlichen im Blick auf ihre Zugehörigkeit, zumindest auf spiritueller Ebene, zum rumänischen Volk ist bei diesem Erziehungsunterfangen von höchster Bedeutung. Die Entfremdung oder fehlende Anpassung einiger unserer Nächsten im Blick auf die Gesellschaft, in der sie leben, können auch die Konsequenzen aus unangepasstem Verhalten oder Inkompatibilität im Blick auf deren Forderungen oder Normen sein, die offenkundig und sogar substanziell in Konflikt treten mit den moralischen Prinzipien und sozialen Desideraten, die das Evangelium und die Tradition der Orthodoxen Kirche im Allgemeinen sowie die rumänische christliche Tradition und die daraus geformte Identität im Besonderen vorsehen und im Bewusstsein der orthodoxen Rumänen fördern, unabhängig von dem Ort, an dem diese wohnen.
Infolgedessen ist die Gründung von Sonntagsschulen (also von Räumen zur Katechese) in den orthodoxen Gemeinden zur aktiven Unterrichtung der Kinder und Jugendlichen, die in anderen Ländern als dem ihrer Eltern geboren wurden, in der rumänischen Sprache sowie der Geschichte und der Kultur des rumänischen Volkes von größter Bedeutung. Dadurch haben jene Kinder und Jugendlichen, die häufig schon außerhalb Rumäniens geboren wurden, die Chance, die Verbindung mit der rumänischen Kultur zu bewahren, selbst wenn dies nur in geringem Maße geschieht; gleichzeitig kann die Entfremdung von den eigenen Wurzeln als nicht nur formale oder institutionelle Frage, sondern vor allem als inneres persönliches Phänomen abgemildert oder dem entgegengewirkt werden, zumindest teilweise.
Die Intensivierung der Organisation von kirchlichen Jugendlagern in Rumänien mit Jugendlichen und Kindern von Auslandsrumänen ist ein anderer wichtiger Aspekt im Rahmen des Möglichen zur lebendigen Bewahrung des Bewusstseins der Zugehörigkeit zu einem geographischen und spirituellen Raum, der vielen von ihnen unbekannt oder kaum bekannt ist. Mit Sicherheit stellen solche direkten Erfahrungen einer Wirklichkeit, die ihnen fremd oder nur noch aus Erzählungen der Eltern oder Großeltern bekannt ist, eine Gelegenheit dar, etwas Inneres zu entdecken oder wiederzuentdecken, von dem sie nicht wussten, dass es vorhanden ist.
Eine praktische Modalität des Bewahrens einer Verbindung mit der Heimatkirche und dem Heimatland ist auch die vom Rumänischen Staat gewährte Gehaltsunterstützung, die mit der Zeit konsistenter und auch weiter verbreitet wurde (mit Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika, wo eine solche Unterstützung aufgrund der amerikanischen Gesetzeslage nicht erlaubt ist). Gewiss ist dies eine meist moderate Summe im Vergleich zu den wirklichen materiellen Bedürfnissen der rumänischen Kleriker und ihrer Familien in den verschiedenen Teilen der weiten Welt; trotzdem bleibt dies ein Symbol für die Verbindungen mit den Familien in der Heimat und eine Stärkung des Gefühls der Zugehörigkeit zu einem ursprünglichen (Herkunfts-)Raum.
Es ist wahr, dass es auf politischer Ebene mehrere Initiativen zur Unterstützung rumänischer Staatsbürger aus der Diaspora gibt, die in ihr Land zurückkehren wollen und hier zum Beispiel mit einer Finanzierung aus Mitteln des ESF (Europäischer Sozialfonds) oder des Programms START-UP DIASPORA NEXT GEN Unternehmen gründen wollen. Solche Unterfangen sind willkommen und zu würdigen; diese wer- den jedoch in dem Maße einen wirklichen Wert haben, in dem sie ausreichend über- zeugend sind darin, in andere Länder ausgewanderte Rumänen zu veranlassen, nach Rumänien zurückzukehren. Dringend erforderlich sind dazu allerdings auch eine berechenbare Gesetzgebung sowie die Entbürokratisierung und auch die „Ungezieferbekämpfung“ in der öffentlichen Verwaltung, die politischen Einmischungen und Inkompetenz ausgesetzt ist, häufig noch verstärkt durch die Korruption vieler Beamter.
Schlußfolgerungen
Ich bin im Alter soweit fortgeschritten, dass ich mich an die Anfänge dieser Metropolie gut erinnern kann, zu deren Geburt ich – so möchte ich in aller Bescheidenheit sagen – vor nunmehr drei Jahrzehnten auf direkte Weise beigetragen habe.
Ich weiß nicht, ob mein vorliegender Beitrag wenigstens teilweise eine Antwort auf die Fragestellung im Titel bilden kann. Gewiss sind nur die Hierarchen, Kleriker und Gläubige dieser Metropolie als Menschen, die hier mit allen Vorzügen und Nachteilen in der Diaspora leben, in der Lage, auf diese Frage eine Antwort zu geben, die auf jeden Fall zutreffender ist, als ich dies tun kann. Ich schließe mit einem geistlichen Rat des Heiligen Ioan Iacob (Johannes Jakob) von Neamț (1913-1960) ab – der selbst als Rumäne unter Fremden lebte –, der auf einem Papyrus in seiner Ikone geschrieben war (13): „Seid ihr auch in weiter Ferne/lebt bedrückt in fremdem Land/Vergesst nie Eure Bestimmung/bleibt Rumänen und auch Christen!“
Der rumänische orthodoxe Priester und Patriarchatsrat im Ruhestand Vater Michael Tița war von 1991 bis 2024 Abteilungsleiter des Sektors für kirchliche und interreligiöse Beziehungen und Auslandsgemeinden im Patriarchat der Rumänischen Orthodoxen Kirche in Bukarest.
(Übersetzung aus dem Rumänischen: Dr. Jürgen Henkel, Selb)
[1] Vgl. Diaspora, in: https://www.merriam-webster.com/dictionary/diaspora (aufgerufen 11. April 2024). Ursprünglich stammt das Wort Diaspora aus dem Griechischen (διασπορά) und ist gebildet aus δια (durch) und σπορά (zerstreuen).
[2] Vgl. Melvin Ember, Carol R. Ember, Ian Skoggard (Hg.): Encyclopedia of Diasporas: Immigrant and Refugee Cultures Around the World. Volume I: Overviews and Topics; Volume II: Diaspora Communities. New York 2004, bes. S. 136-143.
[3] Ebda, passim.
[4] Einen interessanten Beitrag (abgesehen von den analysierten politischen Aspekten) bietet Dan Popa, der unter anderem eine Übersicht zur Typologie der Berufe präsentiert, die die Angehörigen der rumänischen Diaspora ausüben (vgl. https://www.hotnews.ro/stiri-esential- 27204260-cine-sunt-romanii-din-diaspora-care-trimis-partidul-sos-dianei-sosoaca-parlamen- tul-european.htm).
[5] Hier sind die Rumänen aus folgenden Ländern zu erwähnen: Bessarabien (Republik Moldau); Ukraine (im Allgemeinen, insbesondere Nordbukowina, Herza, Südbessarabien, Trans- karpatien); Ungarn und Serbien; diese alle könnten wir unter dem allgemeinen Begriff „Rumänien neben Rumänien“ zusammenfassen.
[6] Vor dem Jahr 1990 hatte die Rumänische Orthodoxe Kirche folgende kirchliche Entitäten außerhalb der Landesgrenzen: 2 Erzbistümer (mit Sitz in Paris und Detroit), 2 Vikariate (Vârșeț/Werschetz in Jugoslawien und Gyula in Ungarn), eine Repräsentanz an den Heiligen Stätten und eine Pfarrei in Sofia, Bulgarien.
[7] Zum 1. März 2024 hatte das Rumänische Patriarchat folgende kirchliche Strukturen außer- halb der aktuellen Grenzen Rumäniens unter seiner Jurisdiktion: 4 Erzbistümer und 9 Bistümer, sowie 2 Bistümer, die derzeit eingerichtet werden (mit Sitz in London und Dublin), wobei die Erzbistümer zugleich auch Sitze von Metropolien sind. In diesen Eparchien gibt es insgesamt 1.578 Pfarreien und Filialgemeinden sowie 74 Klöster, in denen 1.519 rumänische Kleriker dienen.
[8] So im Radiosender „Radio Renaşterea“ des Erzbistums Cluj-Napoca/Klausenburg (https:// radiorenasterea.ro/cuvantul-patriarhului-romaniei-la-proclamarea-anului-omagial-si-comemo- rativ-2021/).
[9] Nach den offiziellen Daten des Außenministeriums lebten im Jahr 2021 offiziell mit Hauptwohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort 5.705.942 Rumänen im Ausland. Zum Ende des Jahres 2022 lebten beispielsweise 883.670 Rumänen dauerhaft in Deutschland. Gegenwärtig hat die Gesamtzahl sicher noch zugenommen.
[10] Nach der Nationalen Behörde für den Schutz von Kinderrechten und Adoption (Autoritatea Naţională pentru Protecţia Drepturilor Copilului şi Adopţie/ANPDCA), betrug zum Ende Dezember des Jahres 2023 die Zahl der Kinder, bei denen beide Eltern zur Arbeit ins Ausland gegangen sind, 9.758, die Zahl der Kinder, bei denen ein Elternteil zur Arbeit im Ausland lebt 46.792 (vgl. https://www.g4media.ro/autoritatea-pentru-protectia-copilului-si-adoptie- aproape-10-000-de-copii-aveau-la-finele-anului-2023-ambii-parinti-plecati-la-munca-in-strai- natate.html).
[11] Im Laufe des Jahres 2023 wurden im Ausland 22.975 Taufen und 4.759 Trauungen vollzogen, wobei diese Zahlen einen leichten Rückgang im Vergleich zu den vorherigen Jahren abbilden; auch wenn dies natürlich im Trend des demographischen Bevölkerungsrückgangs in Westeuropa liegt, der immer besorgniserregendere Ausmaße annimmt, so sind diese Zahlen doch aussagekräftig.
[12] In diesem Sinne ist es erniedrigend, wenn nicht sogar skandalös, dass rumänische orthodoxe Kleriker Beiträge in die Sozialversicherungen Spaniens einzahlen aufgrund eines königlichen Dekrets, das den rechtlichen Status der Kleriker des Patriarchats von Moskau in Spanien regelt. Doch nicht nur dies: unser Bistum erlangt die staatliche Erlaubnis zur Anstellung eines neuen rumänischen Klerikers nur mit Zustimmung des Vertreters des Patriarchats von Moskau (sic!), auch wenn diese kirchliche Entität in Spanien bezüglich der Zahl ihrer Gläubigen viel kleiner ist als unser rumänisches Bistum.
(13) Zur Person vgl. P. Archimandrit Mihail Daniliuc, Heilige Mönche und bedeutende geistliche Mönchsväter aus Rumänien, in: Jürgen Henkel/Nikolaus Wyrwoll (Hg.), Askese versus Konsumgesellschaft. Aktualität und Spiritualität von Mönchtum und Ordensleben im 21. Jahrhundert. Hermannstadt/Sibiu-Bonn, 2. durchgesehene Auflage 2023, S. 260-278, bes. S. 264-266.