Grußwort zur „Irenäus-Gruppe“ (Graz, 17.10.2018)

Grußwort gehalten zum 15. jährlichen Treffen des Gemeinsamer orthodox-katholischer Arbeitskreis „Sankt Irenäus“ Graz, 17.-21. Oktober 2018, mit der Thematik: „Serving Communion. Re-thinking the Relationship between Primacy and Synodality“.

Eure  Exzellenz,  hochwürdige  Väter,  liebe  Brüder  und Schwestern im Herrn,

erlauben  Sie  mir,  Ihnen  zu  Beginn  unserer  Arbeit  den  Segen Seiner  Seligkeit  Daniel  zu  übermitteln,  des  Patriarchen  der Rumänischen Orthodoxen Kirche. Unser Patriarch begrüßt die Bemühungen  sehr,  die  der  Arbeitskreis  „Heiliger  Irenäus” unternimmt,  um  den  theologischen  Dialog  zwischen  der Orthodoxen  und  der  Katholischen  Kirchen  voranzubringen. Ich meinerseits danke dafür, dass Sie mich eingeladen haben, in diesem  Kreis mitzuwirken. Herr Dr. Johannes Oeldemann hat mir vor einigen Monaten einen Ordner mit Unterlagen zu den  im  Laufe  der  Jahre  behandelten  Themen  übermittelt. Beim  Durchblättern  dieser  Unterlagen  konnte  ich  rasch feststellen,  wie  umfangreich  und  grundlegend  hier  gearbeitet wurde. So möchte ich Ihnen an dieser Stelle auch von ganzem Herzen danken.   

Ich  leide,  wie  Sie  und  viele  anderen,  unter  der  Spaltung  der Christen  und  ich  bete  für  die  Einheit  aller.  Ich  glaube,  dass nichts  Gott  wohlgefälliger  ist  als  wenn  Brüder  einträchtig gesinnt sind und in trauter Einheit leben, damit alle eins sind, denn wo Einheit ist, da ist auch der Segen Gottes spürbar (vgl. Psalm  133,  1;  Johannes  17,  21).  Wir  wissen  alle,  dass  die Einheit  vom  Heiligen  Geist  kommt,  dem  Geist  der Gemeinschaft und der Einheit, die Spaltung aber vom Teufel, dessen  Werk  par  excellence  die  gerade  die  Spaltung  ist,  der Streit um Worte und das Schüren von Feindseligkeit. Solange wir im Stand der Trennung leben und nicht alles tun, was in unserer Macht steht, um die  Trennung zu überwinden, tun wir den Willen des Bösen. Die Sünde der Trennung mit all ihren immensen Konsequenzen für die ganze Welt, bedrückt uns alle als  Christen!  Wir  alle  sind  für  die  Trennung  verantwortlich, nicht  weil  wir  Christen  von  heute  diese  ausgelöst  hätten, sondern  weil  wir  uns  in  dieser  Spaltung  zu  sehr  wohlfühlen, weil wir es uns zu komfortabel eingerichtet haben in unserer eigenen Tradition, und weil wir die ausschließen, die nicht so sind  wie  wir.  Der  Prozess  der Wiederherstellung  der christlichen  Einheit  erfordert  von  uns  Christen  eine persönliche Umkehr,  ein  mystisches  und  innerliches Geschehen, das im Herzen eines jeden beginnt und das ganze Leben  andauert.  Diese  Umkehr  bedeutet  eine  unaufhörliche innere Verwandlung auf Christus hin und die Erfüllung Seiner Gebote,  die  in  der  Liebe  kulminieren.  Wer  dank  der  Gnade Gottes  dahin  gelangt,  ein  Herz  voller  Liebe  oder  ein mitleidsvolles  Herz  zu  erlangen,  der  wird  von  nichts  und niemanden mehr getrennt sein, wie der heilige Isaak der Syrer sagt. Der trägt die ganze Menschheit und den ganzen Kosmos in  sich.  Ein  Herz  voller  Erbarmen  betet  nicht  nur  für Menschen  und  Reptilien,  sondern  auch  für  die  Feinde  der Wahrheit, also die Dämonen (Spruch 81)! Ohne Zweifel gibt es viele  Christen,  die  ein  mitleidsvolles  Herz  durch  Gebet  und Askese  wie  auch  durch  das  geduldige  Tragen  des  auferlegten Kreuzes  des  alltäglichen  Leids  erlangt  haben.  Diese  leben bereits  die  Einheit  ontologisch  auf  der  tiefsten  Ebene  des Herzens  jenseits  jeder  konfessionellen  oder  sonstigen Trennung; für diese aber zeigt Gott Erbarmen gegenüber allen anderen.       
Trotzdem beschränken sich unsere Kirchen im Wissen um die Sünde  der  Spaltung  nicht  darauf,  den  Gläubigen  das  Gebet und  die  Askese  zu  empfehlen  als  Weg  zur  inneren  Einheit jedes  Christen,  sondern  sie  versuchen  mit  der  Unterstützung der  Gebete  jener  über  den  theologischen  Dialog  wieder  zur Einheit  des  Glauben  der  Ungeteilten  Kirche  zu  gelangen.

Leider  gibt  es  Christen  mit  scholastischem  und  rigidem Denken  über  die  Dogmen  der  Kirche,  die  sie  der  Liebe entkleiden  und  sie  in  Waffen  zum  Kampf  gegenüber  den anderen verwandeln. Solche Christen vergessen das Wort der Heiligen  Schrift:  „Der  Buchstabe  tötet,  der  Geist  aber  macht lebendig“ (2. Kor. 3, 6), oder die Aussage des heiligen Gregor von  Nyssa,  der  sagte,  dass  die  Dogmen  zu  Götzen  werden können, wenn wir sie der Liebe entkleiden. Für die, die nicht geistlich  denken,  besteht  ebenfalls  die  Gefahr,  alles  in  ein Dogma zu verwandeln.  Wir  sind  uns  der  Grenzen  unserer  theologischen  Begriffe bewusst, die nicht absolut gesetzt werden dürfen, denn wenn wir  diese  absolut  setzen,  dann  schließen  wir  Gott  in  unsere Begrifflichkeiten  und  Konzepte  ein.  Gott  aber  bleibt  auf  ewig unaussprechlich,  er  ist  nicht  in  Worten  auszudrücken  und steht  über  allen  Denkmodellen.  Nach  einem  Wort    von Vladimir  Losskij  an  seine  Studenten  sollen  wir  ein theologisches Denkmodell,  dessen wir uns bedienen, um den Glauben  auszudrücken  und  weiterzuvermitteln,  unmittelbar nach  dessen  Gebrauch  wieder  ablegen,  um  Gott  nicht  zum Gefangenen  unseres  Denkmodells  zu  machen.  Dies  wird  nur dadurch  möglich,  dass  wir  durch  Gebet  und  umfassendes asketisches Bemühen ein geistliches Denken erlangen.     

Ich  bete  dem  Barmherzigen  Gott,  dass  Er  unsere  Arbeit  hier segnen möge, damit diese wirklich zum Voranschreiten in der christlichen Einheit beitragen mögen! 

Metropolit Serafim