Pastoralbrief zum Weihnachten 2015

„Die religiöse Erziehung”

Und siehe, einer trat zu ihm und fragte:
Meister, was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben habe?” (Matthäus 19,16)“

 Hochwürdige Väter und geliebte Gläubige,

Wir preisen Gott, den Grundgütigen, dass er uns in Frieden das Hochfest der Geburt des Herrn hat erreichen lassen, das Weihnachtsfest, wie wir es in der Volkssprache nennen. Viele unserer Gläubigen feiern Weihnachten in Rumänien, gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Lieben. Es ist ein großer Segen für alle, die die großen Feste gemeinsam mit denen feiern können, die sie zu Hause gelassen haben, in unserem lieben Vaterland. Vor allem weil die Geburt des Herrn ein Fest der christlichen Familie ist, die die heilige Familie zum Vorbild hat, in der unser Herr Christus, der Sohn Gottes und der Erlöser der Welt, geboren wurde.

So bekennen wir auch in unserem Glaubensbekenntnis, das wir in jeder Göttlichen Liturgie sprechen, dass Jesus Christus „Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und Mensch geworden ist“. Er wurde geboren in der kleinen Stadt Bethlehem, nach acht Tagen wurde er beschnitten und erhielt den Namen Jesus, was „Erlöser“ bedeutet. Nach 40 Tagen wurde er zum Tempel von Jerusalem gebracht und dem Herrn dargebracht. Bis zum 30. Lebensjahr lebte er in Nazareth im Hause des alten Josef und Maria. Als Kind, als Jugendlicher und als junger Mann lebte der Erlöser in Gehorsam gegenüber der Gottesmutter und dem seligen Josef, er betete mit ihnen zu Hause und in der Synagoge und erfüllte alle Ordnungen des Mosaischen Gesetzes und der jüdischen Tradition. Als Kind schon lernte er von dem ehrwürdigen Josef das Handwerk des Zimmermanns und half diesem bei seiner Arbeit.

Mit 30 Jahren, dem damaligen Alter der Volljährigkeit, ging der junge Mann Jesus zum Jordan und empfing dort die Taufe vom heiligen Johannes dem Täufer, woraufhin er 40 Tage mit Gebet und Fasten in der Wüste verbrachte und sich auf seine öffentliche Mission vorbereitete, und zwar jene, die Menschen zur Buße und für Erkenntnis des wahren Gottes zu rufen, der die Liebe ist. Dreieinhalb Jahre lang, solange seine Verkündigung und sein irdisches Wirken dauerte, versuchte der Erlöser Jesus Christus unablässig, den Menschen die Liebe Gottes zu Ihnen unter Beweis zu stellen und ihnen den Willen Gottes zu offenbaren, „welcher will, dass allen Menschen geretet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen” (1. Timotheus 2, 4). Die heiligen Evangelien geben uns einen Teil der göttlichen Lehren wieder, die der Erlöser den Menschen verkündigt hat, wie auch einen Teil der Wunder, die Er vollbracht hat, als Er Kranke heilte, Dämonen austrieb, den Sturm auf dem Meer stillte, Brot auf dem Feld vermehrte oder auch als Er Lazarus, den Jüngling der Witwe aus Nain und die Tochter des Vorstehers der Synagoge auferweckte (vgl. Johannes 11, Lukas 11-17 und Markus 5, 35-43). Der Erlöser hat seine Verkündigung und sein messianisches Wirken besiegelt, indem Er sich dann ans Kreuz schlagen ließ, nachdem Er zu Unrecht verurteilt worden war, weil Er angeblich das Volk aufstachelte und gegen den Kaiser handelte. Aber am dritten Tage ist Er auferstanden. Und durch seine Auferstehung hat der Herr den Tod besiegt und den Himmel wieder aufgeschlossen, der versperrt war durch die Sünden der ersten Menschen, Adam und Eva.

Das Himmelreich bzw. das ewige Leben zu erlangen ist das Ziel unseres Lebens. Es bedeutet Gemeinschaft mit Gott, der Gottesmutter und allen Heiligen und Seligen. Wer nicht an das Leben denkt, das nach dem Tode kommt, und sich nicht bemüht, dieses durch Gehorsam gegenüber Gott, durch Demut und gute Werke zu erlangen, der lebt vergeblich. Wir sollten jeden Tag an das ewige Leben denken. Dieser Gedanke hindert uns nicht daran, unsere täglichen Pflichten zu erfüllen, sondern hilft uns vielmehr dabei, alles nach dem Willen Gottes zu tun, wodurch wir sowohl in diesem Leben Erfolg haben werden, als auch das ewige Leben erlangen. Der Erlöser selbst sagt: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“ (Matthäus 16, 26).

Geliebte Gläubige,

wir haben diese Pastorale mit einer Frage eingeleitet, die ein junger Mann, der sich um seine Erlösung sorgt, an den Herrn richtet. „Meister, was kann ich tun, damit ich das ewige Leben habe?“ Der Erlöser antwortet ihm, dass er die Gebote einhalten muss, und er schärft ihm besonders die Gebote ein, die mit den Menschen zu tun haben. Wir wissen, dass von den Geboten, die dem Mose auf dem Berg Sinai von Gott gegeben wurden, sich vier auf die Ehrerbietung gegenüber Gott beziehen, sechs aber auf unsere Nächsten. So sagt der Erlöser: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis geben; ehre Vater und Mutter und liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Matthäus 19, 18-19). Als der junge Mann ihm antwortete, dass er all diese Gebote von seiner Kindheit an gehalten hat, freute sich der Erlöser und sah ihn liebevoll an (vgl. Markus 10,21). Der Herr freute sich wie ein Vater sich über gehorsame Kinder freut!

In der heutigen Zeit, die so ist wie wir sie alle kennen, dürfen wir uns fragen, ob es überhaupt noch Kinder gibt, die gehorsam sind, und Jugendliche, die die Gebote Gottes erfüllen wie der junge Mann aus dem Evangelium. Es gibt sie mit Sicherheit noch, auch wenn es wenige sind. Wir begegnen ihnen in allen unseren Pfarreien, sie engagieren sich im kirchlichen Leben, manchmal mehr als die Älteren. Und es ist auch selbstverständlich, dass dem so ist, denn die jungen Leute von heute sind wissensbegierig, vor allem suchen sie nach dem Sinn des Lebens, und wenn sie es schaffen, einen guten Seelsorger zu finden, der sie geistlich anleitet, dann kommen sie mit ihrem jugendlichen Elan rasch dahin, die Göttliche Liturgie, die kirchlichen Traditionen und Feste, das Gebet und das Fasten lieb zu gewinnen, die sie dann mit größter Strenge einhalten. In all dem entdecken sie dann das wahre Leben, das den Menschen erfüllt.

Aber was sollen wir sagen über all die anderen Jugendlichen, die sich existenzielle Fragen überhaupt nicht mehr stellen, die keine Verbindung zur Kirche mehr haben und nicht mehr an der Göttlichen Liturgie teilnehmen, die nicht beichten und nicht die Kommunion an den Heiligen Sakramenten empfangen? Sollen wir über sie richten, weil sie statt in die Kirche zu kommen anderswo hingehen, wo der Tod auf sie lauern kann? Auf keinen Fall! Denn wir haben als Christen nicht das Recht über andere zu urteilen, nur über uns selbst, damit wir selbst auf den richtigen Weg zurückfinden. Solange wir auf Erden leben, urteilt Gott Selbst über niemanden! Ganz im Gegenteil, denn wie gesagt „will Gott, dass allen Menschen geretet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Timotheus 2,4). Auch hat Gott „kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinen Wege und lebe“ (Hesekiel 33,11). Statt über die Jugend zu richten, sollten wir über uns selbst richten und uns fragen: wie haben wir sie denn erzogen, als ihre leiblichen Eltern und ihre geistlichen Eltern? Wir sind als leibliche Eltern und als geistliche Eltern gemeinsam verantwortlich für das Leben unserer Kinder. Wir wissen sehr gut: die Kinder sind ein Abbild der Eltern. Wie die Eltern sind, so sind auch die Kinder. Wie die Bischöfe und Priester sind, so sind auch ihre Gläubigen! Wenn wir uns zu sehr um die materiellen Dinge sorgen und die geistlichen Dinge vernachlässigen, dann werden die Kinder dasselbe tun. Wenn wir aber zuerst das Geistliche suchen, viel beten und uns nach Kräften bemühen, gegenüber unseren Kindern unserer Verantwortung gerecht zu werden, dann wird uns Gott auch brave und folgsame Kinder schenken.

Geliebte Gläubige,

Der weltbekannte und renommierte Religionshistoriker Mircea Eliade, der das religiöse Phänomen bei den Völkern der Welt erforscht hat, ist zu dem Schluss gekommen, dass der Mensch von Natur aus ein religiöses Wesen ist. Nichts charakterisiert den Menschen mehr als seine Religion oder der Glaube an Gott. Alle Menschen brauchen den Glauben, so wie sie das Essen und das Trinken brauchen, um leben zu können. Ohne Glauben an Gott denaturiert der Mensch und das Leben in Gemeinschaft wird unmöglich. Doch auch wenn der Glaube in uns eingepflanzt ist, so muss er doch durch religiöse Erziehung von Kindheit an gepflegt werden, damit wir uns seiner immer bewusster werden und ihn auch im Alltag leben.

Wenn wir unseren Glauben nicht kennen und uns nicht bewusst darum bemühen, ihn zu leben, dann stirbt der Glaube in uns ab. Deshalb ist die religiöse Erziehung auch absolut wichtig, damit der Mensch sich harmonisch entwickelt und sich des Lebens erfreuen kann, das ihm Gott der Herr geschenkt hat. Ohne eine entsprechende religiöse Erziehung gerät der Mensch auf die schiefe Bahn, die ihn abstürzen und gänzlich unglücklich werden lässt. Die religiöse Erziehung ist auch deshalb so wichtig, weil in der heutigen Gesellschaft nichts zum Glauben an Gott und einem Leben nach den Geboten des Evangeliums ermuntert. Ganz im Gegenteil! Alle moralischen Werte werden geringgeschätzt und mit den Füßen getreten.

In dem Wissen darum, wie bedeutend die religiöse Erziehung für unsere Kinder und Jugendlichen ist, haben wir von Anfang an, seit der Gründung unserer Metropolie im Jahre 1994, größten Wert darauf gelegt, dass sich die Priester besonders um die katechetische Unterweisung der Kinder und Jugendlichen kümmern. In all den Jahren konnten wir beobachten, dass die katechetische Unterweisung dort, wo der Priester aktiv ist und von den Eltern unterstützt wird, die größten Erfolge erzielt und sich als ein Segen für die ganze Familie erweist. Leider gibt es auch Pfarreien, wo die Eltern der Kinder den Priester nicht unterstützen bei der Erfüllung seiner wichtigsten Aufgabe, der Aufgabe als Lehrer, weil sie ihre Kinder nicht zur Katechese schicken. Daher lege ich Euch sehr ans Herz und appelliere an Euch alle, Priester wie Eltern, stets Sorge zu tragen für die religiöse Erziehung der Kinder, auch in dem Wissen darum, dass wir alle vor Gott Rechenschaft ablegen müssen darüber, wie wir unsere Kinder erzogen haben. Auch deshalb hat der Heilige Synod unserer Kirche das Jahr 2016 zum „Jahr der religiösen Erziehung und der Jugend” erklärt in der Absicht und mit dem erklärten Willen, die religiöse Erziehung der Kinder und Jugendlichen in den Pfarreien zu intensivieren, die heute nötiger ist als je zuvor, da auch die Versuchungen der Welt, in der wir leben, größer sind als je zuvor.

 Wir freuen uns über alle Kinder und Jugendlichen, die Gott lieben und die Kirche lieben, in der wir Gott begegnen, und wir segnen sie! Wir freuen uns über alle Eltern, die ihre ganze Seele in die Erziehung ihrer Kinder legen! Wir beten zu Gott, dem Grundgütigen, dass Er uns alle bewahren möge in diesen Zeiten der Versuchungen auf der ganzen Welt, und dass Er uns in der Liebe zu den bedürftigen Nächsten wachsen lasse.

 Ich lege Euch allen diese geistlichen Weisungen ans Herz in der Hoffnung, dass Ihr sie befolgen werdet, und ich umarme Euch alle in Christus – dem Herrn, Der in der Höhle von Bethlehem geboren wurde, und wünsche Euch

Gesegnete Feiertage und

Auf viele Jahre – Ad multos annos!

  Euer Geistlicher Vater, der euch Euch alles Gute wünscht und für alle zum Herren betet,

† Serafim

Erzbischof und Metropolit

(Übersetzung: Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)