Pastoralbrief zum Weihnachten 2016

Die Demut des Herrn

 „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Matthäus 11,29)”
 

Serafim

Erzbischof der Orthodoxen Rumänen in Deutschland, Österreich und Luxemburg und Metropolit der Orthodoxen Rumänen in Deutschland, Zentral- und Nordeuropad

Geliebte Väter und geliebte Gläubige,

die liturgischen Gesänge der Utrenie (des Morgengottesdienstes) und die Weihnachtslieder haben uns nun seit dem Tag des 21. November, dem „Gedenktag des Einzugs der Gottesmutter in den Tempel“, schon in das große Hochfest der Geburt des Herrn eingeführt; seither werden im liturgischen Chor die sogenannten „Katavasien zum Christfest“ gesungen: „Christus wird geboren, verehrt Ihn, Christus aus den Himmeln, begrüßt Ihn, Christus, aus der Erde, erhebt Euch…!“ Seit dem 21. November werden auch Weihnachtslieder gesungen.

Weihnachten, Epiphanias, Ostern, Pfingsten und das Entschlafen der Gottesmutter sind für jeden Christen die größten Feiertage. Der Christ bereitet sich darauf mit Fasten und gesteigertem Gebet vor, mit der Beichte seiner Sünden bei seinem Beichtvater und der Kommunion an Leib und Blut des Herrn, um sich dieser Hochfeste auch wahrhaftig erfreuen zu können. Ohne Vorbereitung mit Fasten und Beten kann sich die Seele der Feiertage nicht freuen, die dann zu einem strikt weltlichen Ereignis reduzieren werden, bei dem es nur noch um Essen und Trinken geht. Leider feiern die meisten Christen von heute Weihnachten nur mit Essen und Trinken und vergessen dessen geistlichen und erlösenden Sinn völlig. Wir, wenigstens die, die die sich nach ihren Möglichkeiten auf das Hochfest der Geburt des Herrn vorbereitet haben, erfreuen uns heute an der Menschwerdung des Gottessohnes, der Mensch geworden ist, um die Welt zu erlösen und die wesensgemäße Gemeinschaft des Menschen mit Gott, die durch die Sünde zerstört wurde, zu erneuern. Unsere Seele jubelt vor Freude in der Kirche bei den heiligen Gottesdiensten, wenn sie die Hymnen hören, die die Geburt des Christuskindes in der Höhle von Betlehem preisen. Es erwärmt unser Herz, wenn wir den Tropar des Christfests hören: „Deine Geburt, Christus unser Gott, ließ erstrahlen der Welt das Licht der Erkenntnis; denn es wurden die Verehrer der Gestirne von einem Sterne belehrt, Dich anzubeten als die Sonne der Gerechtigkeit und Dich zu erkennen als den Aufgang aus der Höhe. Herr, Ehre Dir!“ Oder die Katavasien des Christfests: „Christus wird geboren, verehrt Ihn; Christus aus den Himmeln, begrüßt Ihn; Christus auf Erden, erhebt Euch, die ganze Erde singe dem Herrn und preist Ihn herrlich, Ihr Völker, denn Er hat sich verherrlicht!“ Auch die Weihnachtslieder erheben uns in die Welt der Reinheit, der Zartheit, des Friedens und der Harmonie, nach denen sich unsere Seele sehnt, denn Gott hat uns gut und rein erschaffen und uns die Sehnsucht nach Frieden und Harmonie eingepflanzt.

Die Sünde freilich pervertiert unsere Seele, zerstört unsere innere Harmonie und tyrannisiert uns. Deshalb sind wir auch immer unzufrieden, und die Undankbarkeit zerfrisst unsere Seele wie ein Wurm, bis dahin, dass sie uns seelisch und leiblich zerstört. Dem Undankbaren erscheint es, dass nichts so läuft, wie er es sich wünscht, dass er nur Pech hat, dass ihm niemand hilft, dass alle gegen ihn sind. Er glaubt, dass nur er Recht hat; daher verurteilt er andere und ist ihnen gegenüber feindselig. Die Sünde stellt für den Menschen die Tragödie seines Lebens dar. Wer es schafft, sich von der Macht der Sünde zu befreien, der ist wahrhaftig glücklich.

Gegen die Sünde können wir nur mit Hilfe des Fastens und des Gebets kämpfen und Gott mit viel Demut bitten, uns die Erkenntnis der Sünde und die Kraft diese zu überwinden schenken möge. Zuerst müssen wir von Gott dem Herrn die richtige Sündenerkenntnis erbitten, denn ohne die Gnade Gottes sind wir nicht imstande, unsere Sünden und den Stand der Sünde, in dem wir leben, zu erkennen. Wenn Gott aber unseren Geist mit Seiner Gnade erleuchtet, dann ist es wie wenn wir aus einem tiefen Schlaf erwachen, erkennen unsere Sünden, beichten diese ohne zu zögern, erfüllen den Beichtkanon, den uns unser Beichtvater auferlegt hat, und überwinden so ganz allmählich die Sünde. Wir sollten wissen, dass die Wurzel aller Sünden und alles Bösen auf der Welt der Stolz und die Habsucht sind.

Geliebte Gläubige,

wir haben unsere Pastorale mit der Weisung des Erlösers eingeleitet:  „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Matthäus 11,29) Es gibt keinen Menschen auf diesem Erdenrund, der sich nicht nach seelischer Ruhe oder Seelenfrieden sehnt. „Du hast uns zu Dir hin erschaffen, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet, o Gott, in Dir!“, sagte der Hl. Augustinus (4. Jh.). Doch die Ruhe in Gott finden wir nur, wenn wir dem Beispiel des Lebens in Güte und Demut folgen, das uns unser Erlöser Jesus Christus vorlebt. Gott der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde, „entäußerte Sich Selbst und nahm Knechtsgestalt an…, erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz“ (Phil. 2, 3.8)! Das ganze irdische Leben des Herrn war ein Vorbild an Demut, beginnend mit seiner Geburt als Mensch in der Höhle von Betlehem bis zu seinem so schmählichen Tod am Kreuz von Golgatha. Der Erlöser hat niemand gerichtet und niemand verurteilt, ganz im Gegenteil „schmähte er nicht, als er geschmäht wurde, drohte nicht, als er litt, er stellte es aber Dem anheim, Der gerecht richtet“ (1. Petr. 2,23). Er hat nur Gutes getan und doch haben die Menschen Ihn ans Kreuz geschlagen! Und am Kreuze noch betete er für die, die Ihn gekreuzigt haben! Wie viele von uns folgen wohl dieser Güte und Demut im Leben? Leider folgen die meisten von uns heute dem Geist der Welt, dem Güte und Demut eher als Schwächen gelten, denn als erlösende und befreiende Tugenden.Wir geben uns keine Rechenschaft darüber, wie sehr uns Stolz und Hochmut schaden. Der heilige Johannes Klimakos nennt den Stolz „eine Verleugnung Gottes, eine Erfindung des Teufels, eine Verachtung der Menschen, die Mutter des Richtens und Verdammens Anderer. Sie ist ein Hindernis der göttlichen Hilfe,  eine Vorläuferin der Fühllosigkeit. Sie stürzt den Menschen in den Fall. Sie ist die Tür der Heuchelei, die Ursache der Unbarmherzigkeit. Sie ist eine grausame Richterin, eine Feindin Gottes, der Anfang der Hoffart“.  (Himmelsleiter, XXIII). Ganz gewiss ist der Stolz eine Verleugnung Gottes und eine Verachtung der Menschen, denn der stolze Mensch ist erfüllt von sich selbst; in seiner Seele haben weder Gott noch die anderen Menschen Platz. Der stolze Mensch bildet sich nur ein, gut und sogar fromm zu sein; tatsächlich ist er wie ein mit heißer Luft aufgeblasener, aber innen leerer Ballon. In der heutigen Weltsicht, die Gott aus dem Leben der Gesellschaft verbannt, ist der Mensch und nicht Jesus Christus, der Gott-Mensch, das Maß aller Dinge. Doch ohne Gott erhebt sich der Mensch gegen den Menschen und der Mensch wird den anderen Menschen zum Wolf, wie ein lateinisches Sprichwort besagt (homo homini lupus).      

Der Stolz ist so tief in unserer Seele verwurzelt, dass jeder sein Leben nur noch nach eigenem Gutdünken führen will. Und wir empfinden nicht einmal Gewissensbisse dabei, weil wir glauben, dass nur wir Recht haben. Sogar dann, wenn wir uns Rechenschaft geben, dass wir gefehlt haben, lässt unser Stolz es nicht zu, dass wir uns dafür entschuldigen. Von daher rühren alle Streitigkeiten und Konflikte zwischen den Menschen, auch die Dramen in den Familien.

Neben dem Stolz macht die Habsucht die Menschen zu reißenden Wölfen für die anderen. Beim Geld endet die Freundschaft! Sobald es um Geld geht, treten sich die Menschen gegenseitig auf die Füße. Da zählt keine Blutsverwandtschaft mehr, kein Glaube, den sie vermeintlich haben, da zählt überhaupt nichts mehr. Alles wird auf das Geld reduziert, denn ihr Gott ist das Geld! In sozialer Hinsicht schafft die Jagd nach Reichtum viel Ungerechtigkeit in der Welt, auch in den reichen Ländern, die sich auf Kosten der armen Länder entwickelt haben und weiterentwickeln. Es besteht auch heute eine echte moderne Sklaverei, freilich gut getarnt!

Geliebte Gläubige, 

auch wenn die Gesellschaft, in der wir leben, eine bis zum Exzess materialistische Gesellschaft ist, haben trotzdem noch viele Menschen ein offenes Herz für ihre Nächsten. Die Werke der Barmherzigkeit sind bewundernswert, auf die wir immer wieder stoßen, vor allem gegenüber den Flüchtlingen aus Syrien und anderen Ländern. In unserer Metropolie unterstützen viele Gläubige ihre Pfarrgemeinden nach Kräften, die von anderer Seite keine finanzielle Unterstützung erhalten. Die meisten Pfarrgemeinden haben nicht einmal eine eigene Kirche und sind gezwungen, andere Kirchen für ihre Gottesdienste anzumieten, oft zu einem hohen Mietpreis. Die wenigen Pfarrgemeinden, die eine Kirche kaufen oder erbauen konnten, haben auf viele Jahre bei den Banken Schulden, von denen sie Geld geliehen haben. In München, wo die Gläubigen der Pfarrei „Buna Vestire“ mit ihrem Hochwürdigen Vater Simion Felecan an der Spitze vor kurzem unter vielen Opfern eine wunderbare Kirche aus Holz und ein Pfarrzentrum erbauen konnten, bemüht sich Seine Exzellenz Bischof Sofian von Kronstadt nun darum, das erste rumänische Kloster in Deutschland zu errichten verbunden mit einem Kirchen-, Kultur- und Sozialzentrum. Die über 30.000 Rumänen, die in der bayerischen Landeshauptstadt leben, brauchen nicht nur zwei, sondern sogar noch mehr Kirchen! Daher lege ich Euch allen ans Herz, zur Erfüllung dieses heiligen Ziels beizutragen, denn dieses Kloster wird nicht nur den Rumänen aus München gehören, sondern allen Rumänen aus ganz Deutschland. Nicht braucht die Welt heute nötiger als Stätten, in denen sich Menschen Tag und Nacht dem Gebet zu Gott für die Welt weihen!

An dieser Stelle möchte ich allen unseren Gläubigen danken, die unsere Priester bei ihren verschiedenen Aktivitäten auf der Ebene der Pfarrei unterstützen. Einen besonderen Dank möchte ich auch denen aussprechen, die unser Projekt der Metropolie „Stipendien für arme Kinder aus der Moldau“ unterstützen. Im Rahmen dieses Projekts helfen wir jeden Monat 400 Kindern aus den Kreisen Vaslui und Botoşani. Es stellt für diese Kinder eine große Freude dar, dass sie sich auf der Basis von Gutscheinen ein Minimum an nötigen Lebensmitteln für 25 Euro pro Monat kaufen können. (Dieses Projekt wird auch auf unserer Homepage vorgestellt.) Anderen Gutes zu tun ist ein Zeichen von Mitleid und Barmherzigkeit gegenüber unseren bedürftigen Nächsten. Der Erlöser hat gesagt: „Geben ist seliger denn nehmen“ (Apostelgeschichte 20,35)

Ich lege euch diese geistlichen Weisungen in dem Wunsch ans Herz, dass ihr diese annehmt, und umarme euch alle, Priester und Gläubige, Kinder, Jugendliche und Senioren im Herrn Christus, dem in der Höhle von Betlehem Geborenen. Und ich rufe Seinen Segen auf euch alle herab. Gott der Allmächtige und Grundgütige schenke euch allen einen starken Glauben, eine ungetrübte Liebe und ungebrochene Hoffnung!

Gesegnete Feiertage! und

Auf viele Jahre!

Euer Euch allezeit Gutes wünschender und unablässig zum Herrn betender

Serafim

Erzbischof und Metropolit

 

(Übersetzung: Pfarrer Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)