Pastoralbrief zum Ostern 2019

  Das Kreuz und die Auferstehung – Quelle der Freude und der Seligkeit

   „Siehe, durch das Kreuz ist Freude gekommen in die ganze Welt”

Hochwürdige Väter und geliebte Gläubige,

 Christus ist auferstanden!

 In der Osternacht wie auch an jedem Sonntag im Tagzeitengebet der Matutin (rumänisch Utrenia; griechisch Orthros) hören wir dem Hymnus: „Nachdem wir die Auferstehung Christi geschaut haben, lasst uns den Heiligen Herrn Jesus, den allein Sündlosen, anbeten. Dein Kreuz verehren wir, Christus, und Deine heilige Auferstehung loben und preisen wir: denn Du bist unser Gott, außer dir kennen wir keinen anderen, deinen Namen rühmen wir. Kommt, all ihr Gläubigen, lasst uns die heilige Auferstehung Christi verehren. Denn siehe, durch das Kreuz ist Freude gekommen in die ganze Welt. Wir preisen immerzu den Herrn, wir lobpreisen seine Auferstehung. Denn indem Er unseretwegen das Kreuz auf Sich nahm, hat er den Tod durch den Tod besiegt.”

Diesen wunderschönen Hymnus betet auch der Priester bei jeder göttlichen Liturgie in dem Moment, wenn er die Brotpartikel NI und KA aus dem Leib des Herrn in den heiligen Kelch gibt, damit diese an die Gläubigen in der Kommunion ausgeteilt werden. Die Gläubigen empfangen die heilige Kommunion mit den Partikeln NI und KA. Diese aus dem griechischen stammenden Silben bedeuten: (Jesus) der Sieger!

Die Auferstehung des Herrn, die zahllose kirchliche Gesänge preisen, bildet die Grundlage des christlichen Glaubens. „Ist aber Christus nicht auferstanden, dann ist unser Glaube nichtig“, sagt der heilige Apostel Paulus (vgl. 1. Korinther 15, 17). Wir können uns nicht Christen nennen, wenn wir nicht an die Auferstehung des Herrn glauben, durch die Er den Tod besiegt hat, den größten Feind des Menschen. Durch Seine Auferstehung am dritten Tage hat unser Erlöser Jesus Christus bewiesen, dass Er nicht nur ein einfacher Mensch war – ohnmächtig im Blick auf den Tod –, sondern auch Gott selbst, Der allein den Tod besiegen kann. Gleichzeitig hat der Erlöser durch Seine Auferstehung Seine Lehre wie auch alle Seine Wunder, die Er im Laufe Seines irdischen Lebens vollbracht hat, bekräftigt und besiegelt, die sonst in den nachfolgenden Generationen vergessen worden wären. Im Mittelpunkt der Predigt der Apostel vor allen Völkern stand immer gerade das Wunder der Auferstehung als grundlegende Wahrheit des neuen Glaubens.

Auch in der Mitte unserer Predigten als Nachfolger der Apostel, seien wir Bischöfe oder Priester, hat die Botschaft der Auferstehung, des Sieges, der Hoffnung und der Freude zu stehen, die uns dem Tode entreißt, dem seelischen Tod wie auch dem leiblichen Tod. Wer wahrhaftig an die Auferstehung Christi glaubt, der wird in allen tödlichen Situationen bewahrt, durch die er zu gehen hat. Wir alle machen tagtäglich traurige Erfahrungen, die in bestimmter Weise mit dem Tod verglichen werden können, weil wir in ihnen spüren, dass der Schwung unseres Lebens nachlässt, dass wir an Lebensfreude verlieren und auch die Kraft einbüßen, mit den Schwierigkeiten des Lebens bis zum Ende entschlossen zu kämpfen. Manchmal kommt es uns so vor, als hätten wir zu viel Leid zu ertragen, als wäre Gott ungerecht mit uns und als ob Er unsere Gebete nicht in der Weise erhört, wie wir es erhoffen. Wer aber unerschütterlich an Christus glaubt, Der den Tod überwunden hat, wird auch alle Prüfungen des Lebens mit Geduld bewältigen und am Ende sogar den Tod besiegen. Die Auferstehung Christi ist auch unsere Auferstehung. Mit Seiner Auferstehung hat Christus der Herr auch potenziell die gesamte Menschheit vom Tode auferweckt und allen Menschen die Pforten des Himmels geöffnet, die nach dem Sündenfall Adams und Evas verschlossen gewesen waren. Genauso werden alle, die an Christus glauben, mit Ihm zu Überwindern des Todes und werden das ewige Leben erben, für das wir erschaffen worden sind. Und der Glaube an die Auferstehung Christi wird in uns zur Quelle der Kraft und der unaufhörlichen Freude.

 

Geliebte Gläubige,

die wahre Freude, die Freude, die nie vergeht, kann nur durch ein dem Glauben gemäßes Verhalten, durch Tapferkeit und Geduld beim Ertragen des Kreuzes erlangt werden, dass wir alle in unserem Leben zu tragen haben. Der am Anfang dieses Hirtenwortes zitierte Hymnus sagt: „Siehe, durch das Kreuz ist Freude gekommen in die ganze Welt”. Die Freude kommt also durch das Kreuz, durch das Leiden durch das Ertragenvon Unglück. Dies ist ein Paradox, aber es ist auch eine große Wahrheit. Wir täuschen uns selbst, wenn wir uns vorstellen, dass Freude oder Glück bedeuten, keine Leidenserfahrungen zu machen, keine Beschwernisse zu haben, möglichst viele materielle Güter zu besitzen, unsere sinnlichen Begierden zu befriedigen oder eine möglichst hohe soziale Stellung einzunehmen. Wir müssen wissen, dass das sogenannte „Glück dieser Erde” und ihrer materiellen Güter ein Trugschluss von kurzer Dauer ist. Leider suche die meisten Menschen heute nur dieses irdische und materielle Glück und vergessen darüber die himmlische Freude, nach der die Seele des Menschen strebt, die doch von Gott dazu geschaffen ist, zu Ihm zu streben und nicht nach irdischen Gütern.

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen”, sagt der Erlöser (Matthäus 6, 33). So werden wir von Gott die wahre Freude und das unvergängliche Glück dann empfangen, wenn wir Ihn an die erste Stelle in unserem Leben setzen und mit Geduld und in Hoffnung unser alltägliches Kreuz tragen. Wenn wir jeden Tag unser Leben Gott anvertrauen, im Glauben zu Ihm beten und all unser Leid vor Ihn bringen, dann werden wir in unserer Seele nicht nur den Mut oder die Kraft verspüren, allmählich all dies zu bewältigen, sondern auch eine Freude, die nicht irdisch ist, sondern himmlisch. Alle heiligen Väter, die ihr ganzes Leben lang durch Prüfungen und Versuchungen aller Art gehen mussten und dadurch eine große geistliche Erfahrung gewonnen haben, sprechen von „der Freude, die aus Schmerz geboren ist“ oder „freudigem Schmerz“. Und sie lehren uns, dass wir in unserem Kampf mit den Problemen  des Lebens niemals die Hoffnung aufgeben sollen. Leidenserfahrungen sind sogar notwendig, weil es unmöglich ist, Gottes Nähe zu erfahren und seine Liebe zu spüren, ohne durch Beschwernisse zu gehen oder wie Gold in der Schmelze geprüft worden zu sein.

In den fast 50 Jahren meines Dienstes in der Kirche habe ich viele schwer geprüfte Gläubige kennengelernt: manche waren über Jahrzehnte ans Bett gefesselt, andere hatten von Geburt an behinderte Kinder, wieder andere hatten ihre Kinder verloren. All diese haben mir bezeugt, dass sie nur dank dieser Prüfungen – manchmal jenseits der Grenze des Erträglichen –  wirklich Gotteserfahrungen gemacht haben und sich ihr Schmerz in Freude verwandelt hat. Ein weises Wort besagt, dass wir Gott nur unter Tränen erkennen können. So sollen wir niemals die Hoffnung aufgeben, so schwer das Kreuz auch ist, dass wir zu tragen haben, denn gerade im Kreuz verbirgt sich die Auferstehung und gerade durch das Kreuz kommt die Freude. Die Väter der alten Zeit sagten, dass in den späteren Zeiten, also zu unserer Zeit, die Menschen sich von Gott entfremden werden, dass sie nicht mehr beten werden, dass sie nicht mehr fasten, dass sie die Kirche vergessen werden und in Sünden leben werden, weil sie nur noch die sinnlichen Vergnügungen suchen. Und doch wird Gott als allliebender Vater diese  Menschen nicht verloren geben, sondern sie erlösen durch die Leidenserfahrungen, die aufgrund ihrer Sünden über sie kommen werden, wenn sie diese ohne Murren ertragen und zu Gott umkehren.

 

Geliebte Gläubige,

Unser Erlöser Jesus Christus hat uns gelehrt, wie wir zu leben haben, um glücklich zu sein, um also Gott in unseren Herzen zu haben. Unter den neun Seligpreisungen, wie wir in jeder göttlichen Liturgie hören, befindet sich auch diese: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen” (Matthäus 5, 7). Und im Buch der Apostelgeschichte ermahnt der heilige Paulus die Priester aus Ephesus mit den Worten: „Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muss im Gedenken an das Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.“ (Apostelgeschichte 20, 35). Daraus können wir erkennen, dass die Mildtätigkeit als konkrete Tat der Nächstenliebe uns glückselig macht. Leider glauben die meisten, dass sie selbst ärmer werden, wenn sie Mildtätigkeit ausüben oder Bedürftigen helfen. Aber ganz im Gegenteil: „Wenn ihr gebt, werdet ihr empfangen”, wie es Vater Nicolae Steinhardt formuliert, der im Kloster Rohia Mönch war. Tatsächlich werden wir selbst immer reicher, je mehr wir unseren Nächsten Gutes tun, denn Gott vergilt uns jede gute Tat hundertfach, die wir von Herzen vollbringen. Vor allem die Mildtätigkeit macht uns selig. Moderne Wissenschaft bekräftigt dies, wenn sie feststellt, dass Menschen, die ein großzügiges Herz haben, wahrhaftig glücklich sind: ihr Gehirn produziert mehr von dem Glückshormon Serotonin.

So lege ich euch ans Herz, mildtätig zu sein. Jeder möge im Rahmen seiner Möglichkeiten möglichst viel Gutes tun, seinen bedürftigen Nächsten helfen, besonders unseren Schwestern und Brüdern in Rumänien. Vergessen Sie auch nicht die Bedürfnisse, die unsere Pfarreien und die Priester haben, die Ihnen mit viel Hingabe dienen. Wir wissen alle, das Seine Exzellenz Bischof Sofian sich darum bemüht in München ein Kloster zu bauen; in Wien wird gerade eine Kirche gebaut, wie auch in den Pfarreien von Leipzig und Bonn. Andere Pfarreien haben große Schulden bei den Banken für bereits gebaute oder gekaufte Kirchen wie etwa in Berlin, Offenbach, Hamburg und Mannheim. Auch im Namen Seiner Exzellenz Bischof Sofian und aller unserer Priester danken wir Ihnen für die Liebe, mit der Sie uns gegenübertreten, und für die Hilfe, die Sie uns gewähren.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Ich wünsche Euch allen: Gesegnete Feiertage, Frieden und Freude!

Euer Euch allezeit Gutes wünschender und zum Auferstandenen Herrn Betender

† Serafim    

Erzbischof und Metropolit

 

(Übersetzung: Pfarrer Prof. h. c. Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)