Auf der Suche nach Einheit: Das Dokument von Balamand 30 Jahre später neu lesen

Grußwort gehalten zum 19. jährlichen Treffen des Gemeinsamer orthodox-katholischer Arbeitskreis „Sankt Irenäus“ Graz, Juni 2023, mit der Thematik: „Das Dokument von Balamand 30 Jahre später neu lesen”.

Eminenzen, Exzellenzen, liebe Väter, Brüder und Schwestern im Herrn,

ich freue mich, Ihnen die Grüße von Vater Patriarch Daniel der Rumänischen Orthodoxen Kirche zu übermitteln, der mit Interesse die Arbeit der theologischen Gruppe St. Irenäus verfolgt, die in diesem Jahr an der Fakultät für Orthodoxe Theologie in Balamand stattfindet. Diese Fakultät wurde von dem ehrwürdigen Patriarchen Ignatius IV. Hazim gegründet. Er war ein Visionär und zeigte eine sehr große Offenheit für die Ökumene. Ich freue mich sehr, dass wir uns auf dem Jurisdiktionsgebiet des Patriarchats von Antiochien und des gesamten Ostens treffen und dass ich in die Fußstapfen des rumänischen Archimandriten Sofian Boghiu (+2012) treten kann, der drei Kirchen im Libanon und in Syrien bemalt hat. Pater Sofian trug den Beinamen „der Beichtvater von Bukarest“ und er war auch viele Jahre lang mein Beichtvater. Aufgrund seines heiligen Lebens wurde er von der Heiligen Synode der Rumänisch-Orthodoxen Kirche für die Heiligsprechung im Jahr 2025 vorgeschlagen.

Wir haben uns hier versammelt, um einen neuen Blick auf das Dokument zu werfen: „Uniatismus, der frühere Weg zur Einheit, und das heutige Suchen nach Wegen zur Einheit“, das vor 30 Jahren im Kloster Balamand unterzeichnet wurde. Ich erinnere mich mit Schmerz an die schwierigen Jahre nach dem Fall der kommunistischen Diktatur in Rumänien, als es zu Konflikten zwischen Orthodoxen und Griechisch-Katholiken um die von beiden Seiten beanspruchten Kirchengebäude kam. Ein damals von der rumänischen Regierung verabschiedetes Gesetz legte fest, dass das Kirchengebäude einer Ortschaft der Mehrheit der Gläubigen gehört und dass die Minderheit mit Unterstützung der Mehrheit ihre eigene Kirche errichten kann. Das Gesetz hatte jedoch nicht die erwartete Wirkung, außer an einigen Stellen, und es kam zu leidenschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen beiden Seiten. Dies hat zu unzähligen Gerichtsverfahren geführt, die die konfessionellen Spannungen weiter verschärft haben.

Ich erinnere mich, wie Metropolit Antonie Plămădeală von Siebenbürgen – der Region, in der die griechisch-katholische Kirche im Jahr 1700 entstanden war, die 1948 vom kommunistischen Staat abgeschafft und Ende 1989 wieder anerkannt wurde – mit großen Hoffnungen aus Balamand zurückkehrte. Er hoffte sehr, dass das hier in Balamand unterzeichnete Dokument den interkonfessionellen Frieden bringen würde. Doch die Konflikte dauerten noch viele Jahre an, wenn auch vielleicht mit geringerer Intensität. Auch der Besuch des Papstes Johannes Paul II. in Bukarest im Jahr 1999 wirkte sich positiv auf die Beziehungen zwischen Orthodoxen und Griechisch-Katholiken aus. Heute haben sich die Beziehungen zwischen Orthodoxen und Griechisch-Katholiken zumindest in Rumänien in dem Sinne normalisiert, dass beide Seiten gemeinsam an verschiedenen ökumenischen Gebeten und Symposien oder karitativen Aktivitäten teilnehmen.
Erlauben Sie mir, Ihnen meine große Besorgnis über den gegenwärtigen Versuch der Erneuerung der katholischen Kirche mitzuteilen, so wie sie in den Vorschlägen des „Synodalen Weges“ in Deutschland verstanden wird. Die bekannten Vorschläge berühren das Wesentliche des christlichen Dogmas und der Moral und werden meiner Meinung nach der Kirche mehr schaden als helfen. Dies war bei allen Erneuerungsversuchen der Fall, die das Dogma und die Moral der Kirche berührt haben. Die Kirche erneuert sich nicht, indem sie sich dem Geist der Welt anpasst, sondern indem sie versucht, ihn zu verchristlichen. Dies gilt ganz besonders für die Moral. Die Gebote Gottes sind gegeben, um das Leben zu schützen und es vor dem Verfall zu bewahren. Wer sie nicht einhält, wird leiden, nicht als Strafe Gottes, sondern als natürliche Folge ihrer Übertretung. Indem wir Abweichungen von der christlichen Moral in der Absicht akzeptieren, den Menschen zu helfen, stürzen wir sie noch tiefer ins Leid!
Abschließend möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich entschlossen habe, aus Altersgründen, nach der diesjährigen Begegnung als orthodoxer Ko-vorsitzender der Gruppe zurückzutreten. Da dies meine letzte Teilnahme an einer Sitzung des Arbeitskreises ist, möchte ich mich von den Mitgliedern der Gruppe verabschieden. Ganz besonders danke ich Seiner Exzellenz, Bischof Dr. Gerhard Feige, und den beiden Ko-Sekretären Dr. Johannes Oeldemann und Prof. Dr. Elias Kattan, sowie den Mitgliedern der Gruppe dafür, dass ich fünf Jahre lang zusammen mit Ihnen arbeiten und sehr viele besondere Momente der Gemeinschaft erleben durfte. Ich habe bei all unseren Treffen die warme und freundliche Atmosphäre genossen, die unter uns herrschte, ein Zeichen für das Wirken des Heiligen Geistes in unseren Herzen, ebenso wie die herausragende theologische Kompetenz der Mitglieder der Gruppe.
Ich bitte Gott, die Arbeit der Gruppe zu segnen und den Tag unserer Einheit im Glauben immer näher zu bringen!

+ Metropolit Serafim

Balamand, den 20. Juni, 2023