Die Jugendpastoral und –katechese – eine ökumenische Pflicht für die Zukunft (Eisenach, 19.02.2024)

Wort des Metropoliten Serafim zur 16. Begegnung im Bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Rumänischen Orthodoxen Kirche (Goslar XVI) zum Thema „Jugendpastoral und -katechese als ökumenische Zukunftsaufgabe“.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus,

zunächst möchte ich Ihnen den Gruß unseres Patriarchen, Seiner Seligkeit Vater Daniel, übermitteln, mit dessen Segen wir als rumänische Delegation an diesem 16. bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland/EKD teilnehmen. Seine Seligkeit schätzt die bisherigen Ergebnisse unseres Dialogs als sehr positiv ein und freut sich, wenn dieser Dialog auch in Zukunft mit so viel Erfolg fortgeführt werden kann. Ich persönlich glaube, dass nichts notwendiger ist als der Dialog zwischen Menschen, zwischen Konfessionen, zwischen Religionen. Der Mensch ist erschaffen von Gott als soziales und auf Dialog ausgerichtetes Wesen, das nur im Dialog und in Beziehung mit anderen seine Erfüllung findet. Wir alle hängen voneinander ab, wir alle kommen nur durch andere zu unserer Erfüllung.

Und so freuen wir uns, dass wir wieder beisammen sind nach jener Zeit der Prüfung für die Menschheit, die vom Virus Covid 19 ausgelöst wurde.

Unser Thema bei diesem Dialog ist besonders wertvoll und wichtig, gleichzeitig von akuter Aktualität. Kinder und Jugendliche sind nicht nur die Zukunft der Kirche und unserer Pfarrgemeinden, sondern auch deren Gegenwart, denn die Zukunft wird auf der Gegenwart erbaut. Wir können keine Zukunft haben ohne Gegenwart. Die Jugendlichen von heute sind die Gläubigen der Kirche von morgen. Wir alle stellen mit Schmerz fest, dass fast alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Kirche hinter sich lassen, sich von Gott entfremden und entfernen und sich in religiöser Hinsicht gegen alles stellen, was traditionell ist. Beeinflusst von der säkularisierten und entchristlichten Gesellschaft und in vieler Hinsicht auch von den Medien wollen junge Menschen heute vollkommen unabhängig sein und ihr Leben nach anderen Prinzipien und Werten als den traditionellen gestalten, die sich aber über so viele Jahrhunderte bewährt haben. Ihre Ideale sind andere als jene früherer Generationen, die auf dem Glauben und der christlichen Moral gründeten. Diese erscheinen ihnen als altmodisch und überholt, ja sogar rückwärtsgewandt. Sie erscheinen ihnen als Werte und Prinzipien, die ihre Freiheit, ihre freie Entfaltung und ihr Glück einschränken würden. Dieses Phänomen betrifft freilich nicht nur die Kirchen, sondern die moderne Gesellschaft im Allgemeinen in ihrer Bindungslosigkeit, die vor allem auf Individualismus, Gewinn, Konsumismus und Hedonismus basiert.

Was können die Kirchen tun, um junge Menschen zu inspirieren und zu bewegen, beim Glauben zu bleiben und in den Kirchen zu bleiben? Nach meiner Überzeugung ist es vor allem entscheidend, dass Kinder, Jugendliche und junge Menschen mit großer Offenheit und Liebe in der Mitte aller Pfarrgemeinden willkommen geheißen, empfangen und aufgenommen werden, dass ihre Meinungen und Ansichten berücksichtigt werden und dass sie ermutigt werden, sich im Leben der Pfarrgemeinden aktiv zu engagieren und zu implizieren. Davon ermutigt, können und sollten sie inspiriert werden, ihre eigene freie Meinung und ihre Überzeugungen wie auch ihre Fähigkeiten wertschöpfend in den Pfarrgemeinden einzubringen bei der Durchführung verschiedenster Aktivitäten, auch im katechetischen Bereich, mit einer gewissen Anleitung des Gemeindepfarrers.

Die traditionelle Katechese in der Kirche wie in der Schule hat sich als unzureichend erwiesen, um junge Menschen der Kirche anzunähern. Diese brauchen etwas anderes als die bloße Vermittlung rein theoretischer Kenntnisse. Mein Professor für Moraltheologie, Olivier Clément, lehrte uns, dass der christliche Glaube bzw. das Christentum nicht eine Religion wie andere ist – jede mit ihren Regeln und Vorschriften. Das Christentum ist keine Religion, sondern die Krisis aller Religionen. Der christliche Glaube ist das Leben selbst, das neue, in Christus entdeckte und offenbarte Leben: „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14,6). Denn das Leben ist keine Theorie oder eine Summe von abstrakten Wahrheiten, die wir wie alle möglichen anderen Kenntnisse lernen. Leider ist unsere Theologie wie auch unsere Katechese nach wie vor von der scholastischen Methode profund beherrscht: sie vermitteln Kenntnisse und reines Faktenwissen, aber nicht das Leben selbst! Um auf die Gläubigen – und vor allem auf junge Menschen – anziehend zu wirken, müssen die Pfarrgemeinden Oasen des Friedens und der Teilhabe an sinnvollem Leben sein, Orte, wo die Gläubigen zur Innerlichkeit kommen können und Ruhe und Frieden des Herzens finden können.

Die Katechese als Glaubensunterweisung für Kinder und junge Menschen beginnt in der Familie. Gläubige Eltern wissen am besten, wie der Glaube den Kindern zu vermitteln ist; sie beten mit ihren Kindern, zu Hause wie in der Kirche, und bringen ihnen die Grundlagen des Glaubens bei. Nach 50 Jahren als Seelsorger kann ich sagen, dass die Eltern, die ihre Kinder regelmäßig zur Kirche bringen und die Heiligen Sakramente empfangen lassen, später, auch wenn sie durch altersspezifische Krisen gehen müssen und sich bestimmte Zeit von der Kirche abwenden, später wieder zum Glauben finden. Der als Kind in ihnen gesäte Same des Glaubens geht dann auf und trägt nach Jahren Früchte. Aber wenn kein Same gesät ist, was sollte dann aufgehen?!

Ich habe auch mein Leben lang immer wieder beobachtet, dass viele Gläubige aller Generationen nach Jahren der geistlichen Orientierungslosigkeit und des Herumirrens wieder zur Kirche zurückkehren, weil sie Prüfungen durch verschiedene Krankheiten oder Unglücksfälle erleben. In solchen schmerzlichen Situationen geben sich viele darüber Rechenschaft, dass sie die Hilfe Gottes brauchen. In der Kirche suchen sie Gott und erfahren Seine Hilfe und Seinen Trost. Es ist eine göttliche Vorsehung, wenn Gott es zulässt, dass Krankheiten und Prüfungen über uns kommen, als Konsequenz aus unseren Sünden, damit wir uns Rechenschaft geben über unser ontologisches Unvermögen und die Notwendigkeit, zu Ihm umzukehren. Als Theologen und als Diener des Herrn sind wir gerufen, Menschen in ihrem Leid zu ermutigen und ihnen zu erklären, dass das Leid keine Strafe Gottes ist, sondern in den meisten Fälle eine Folge der Sünde.

Mit diesen Gedanken möchte ich sie alle umarmen in Christus, unserem Herrn, und ich bete darum, dass Er unsere Arbeit hier segnen möge!

Metropolit Serafim

Eisenach, 19. Februar 2024