Einführung in den Vollzug der Arthoklasia (Würzburg, 10.09.2024)

Vortrag gehalten von Metropoliten Serafim zur CCD-Konferenz, Würzburg, 10. September 2024.

Bekanntlich ist die Orthodoxe Kirche eine Kirche des Gebets und der Askese. Die orthodoxen Gottesdienste haben ein festgelegtes Ritual und können stundenlang dauern. Die eucharistische Liturgie dauert etwa zwei Stunden. Sie ist eingerahmt von den „ Sieben Tagzeitengebeten” nach dem Wort des Psalmisten, in dem es heißt: „Ich lobe Dich des Tages siebenmal um deiner gerechten Ordnungen willen” (Psalm 119, 164). Diese Tagzeitengebete sind: Vesper (rum. Vecernia/gr. Hesperinos), Komplet (rum. Pavecerniţa/ gr. Apodeipnon), Mitternachtsgebet (rum. Miezonoptika/ gr. Mesonyptikon), Orthros oder Morgengottesdienst (rum. Utrenia/gr. Orthros), Prim, Terz, Sext und Non (die „Kleinen Horen“ um 6 Uhr, 9 Uhr, 12 Uhr bzw. 15 Uhr).

All diese Gottesdienste werden täglich in den Klöstern gefeiert. In den Pfarrgemeinden wird am Sonntag und an den großen Feiertagen die Göttliche Liturgie als eucharistischer Gottesdienst gefeiert, dem der Priveghere-Gottesdienst vorausgeht, das heißt die mit dem Orthros vereinte Vesper (Vecernia). Häufig wird bei diesem Priveghere-Gottesdienst, der mehrere Stunden dauern kann, auch die Arthoklasia (Litia) gefeiert, also das Ritual der Segnung von Broten, Weizen, Wein und Öl. Brot und Wein werden den Gläubigen ausgeteilt als Stärkung für den anderen  Teil des Gottesdienstes; und am Ende werden die Gläubigen mit dem geheiligten Öl gesalbt. Auch wird bei der Göttlichen Liturgie das Anaphora gesegnet, also das von den Gläubigen zum Vollzug der Eucharistie mitgebrachte Brot, das nach der Kommunion an Leib und Blut des Herrn ebenfalls ausgeteilt wird, auch dies zur Stärkung für die Anstrengung, seit dem vorherigen Abend nichts gegessen und getrunken zu haben. Die Litia – Arthoklasia und die Anaphora -Antidoron sind ein Symbol für die Wertschätzung des Leibes als Tempel des Geistes.

Aus orthodoxer Sicht sind die Eucharistie und das Gebet die wichtigste Nahrung des Menschen, sowohl für die Seele, als auch für den Leib: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein…“ (Matthäus 4,4). Wer viel betet, ja „unablässig“ betet nach der Weisung des heiligen Apostels Paulus (1. Thessalonicher 5,17), wer regelmäßig an der Göttlichen Liturgie teilnimmt und die Heiligen Sakramente Christi empfängt, wer das Wort Gottes liest und meditiert, der macht tatsächlich die Erfahrung, dass Christus für ihn alles ist: Leben, Speise und Trank!

Dass in der orthodoxen Tradition die Gottesdienste so lange sind, wie sie auch in den ersten christlichen Jahrhunderten waren, liegt darin begründet, dass das Gebet Verinnerlichung braucht. Verinnerlichung aber braucht Zeit und verlangt nach Konzentration im Herzen, wo sich das gesamte menschliche Wesen, die gesamte Menschheit und das ganze Universum konzentriert und wo Gott der Herr selbst wohnt. Ohne das Bemühen um unaufhörliches Gebet zerstreut sich unser Geist in den äußerlichen Dingen, vergisst das Herz und Gott und die Psyche ermüdet und wird erschöpft. Das „mit dem Geist im Herzen” – also mit im Herzen konzentrierter Aufmerksamkeit, wie es uns die asketischen Väter lehren – verrichtete Gebet ist eine Quelle des wahren Lebens, der Kraft, der Harmonie und der Freude.

Lasst uns also mutig sein und beten, sogar denn, wenn unser Geist und unser Leib uns nach unten ziehen wollen. „Erhebet eure Herzen!”

Metropolit Serafim, Würzburg, 10.09.2024