Grußwort zur „Irenäus-Gruppe“ (Cluj, 12.10.2022)

Grußwort gehalten zum 18. jährlichen Treffen des Gemeinsamer orthodox-katholischer Arbeitskreis „Sankt Irenäus“ Graz, 12.-16. Oktober 2022, mit der Thematik: „Schismen in der Kirchengeschichte. Historische Analysen und deren Bedeutung für die Methodik des ökumenischen Dialogs”.

Eure Eminenz, Eure Exzellenz, ehrwürdige Väter,

geliebte Brüder und Schwestern im Herrn,

zu Beginn meines Grusswortes möchte ich die Segenswünsche Seiner Seligkeit, Daniel, des Patriarchen der Rumänischen Orthodoxe Kirche übermitteln, der mit großem Interesse das Wirken der Gemeinsamen Orthodox-Katholischen Arbeitsgruppe „Heiliger Irinäus” verfolgt und sich auch freut über die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse, wie sie sich in der Veröffentlichung der Studie: Der Gemeinschaft dienen. Eine Neubesinnung zum Verhältnis von Primat und Synodalität in mehreren Sprachen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden. Diese Studie ist seit einigen Tagen auch in rumänischer Sprache erschienen im Verlag Renașterea des Erzbistums von Klausenburg.

Wir sind Seiner Eminenz Metropolit Andrei, dem Erzbischof von Vad, Feleac und Cluj und Metropoliten von Klausenburg, der Maramuresch und Sălaj von Herzen dankbar für die Liebe, mit der er uns hier empfangen und aufgenommen hat, für seine Zustimmung, das unsere Begegnung auf dem kanonischen Gebiet des Erzbistums stattfinden kann, dem er vorsteht, sowie für die finanzielle und logistische Unterstützung dieses Treffens.

Wir danken außerdem auch Archimandrit Prof. Dr. Teofil Tia, dem Dekan der Fakultät für Orthodoxe Theologie aus Klausenburg, der als Ausdruck herzlicher Verbundenheit und Gastfreundschaft diesen großzügigen und modernen Raum  der Fakultät für Orthodoxe Theologie aus Klausenburg zur Verfügung gestellt hat und die notwendige logistische Organisation sichergestellt hat.

Wir danken außerdem Vater Prof. Mihail Săsăujan und Vater Prof. Daniel Benga, die große Anstrengungen unternommen haben, damit diese Begegnung der Gemeinsamen Orthodox-Katholischen Arbeitsgruppe „Heiliger Irinäus” in diesem Jahr in Rumänien stattfinden kann.

Das Thema unserer Begegnung lautet: Schismen in der Kirchengeschichte. Historische Analysen und deren Bedeutung für die Methodik des ökumenischen Dialogs. Dieses Thema kann für unsere Kirchen sehr nützlich sein, wenn es mit theologischer wie historischer Akribie analysiert wird, um Schismen vorzubeugen, die heute die Einheit im Inneren bedrohen.

Unser theologischer Dialog hat oft mehr einen historischen Charakter: wir interessieren uns für die Faktoren, die im Lauf der Geschichte zu den verschiedenen Schismen und Häresien geführt haben, die die Kirche gespalten haben und von denen manche absorbiert wurden, andere aber bis heute fortdauern.

Dabei ist heute zu beobachten, dass in unseren Kirchen sehr schwerwiegende Dinge geschehen, die nicht nur die Einheit in ihrem Inneren bedrohen, sondern die Spaltung zwischen den Kirchen noch mehr vertiefen können. Gewiss sind wir in unserer Arbeitsgruppe nicht aufgerufen, diese negativen Zustände und Ereignisse zu analysieren, aber wir können diese auch nicht ignorieren, so als ob uns dies nichts anginge. In unserer Eigenschaft als Theologen können wir unsere Verantwortung dafür nicht einfach verdrängen. Die Theologie ist als eine Aufgabe der Kirche dazu aufgerufen, auf die Einheit zu achten und als erste Alarmzeichen zu setzen, wenn die Einheit bedroht ist.

Wenn die Meinungen der orthodoxen Theologen im Blick auf das Schisma zwischen dem Patriarchat von Konstantinopel und dem Patriarchat von Moskau, das sich noch zu vertiefen und auszuweiten droht, durchaus unterschiedlich sein können und in erster Linie ein kanonisches Jurisdiktionsproblem betreffen, dann führt der sogenannte „Synodale Weg” in die Diskussion nicht nur ein kanonisches Problem wie etwa den Ehestand des Priesters in die Diskussion ein, sondern ein dogmatisches im Blick auf das sakramentale Verständnis des Priesteramts überhaupt als solches, sowie zur Morallehre nach dem Evangelium und dem Naturrecht.

Das Schisma innerhalb der Orthodoxen Kirche betrifft im Wesentlichen kirchliche Machtinteressen zwischen den beiden rivalisierenden Patriarchaten, noch angeheizt durch religiösen Philetismus. Es ist interessant zu beobachten, dass jene lokalen Orthodoxen Kirchen, die den Philetismus am lautesten beklagen, noch philetistischer sind als die anderen! 

Was sich in Deutschland mit dem „Synodalen Weg” abspielt, ist aber noch viel schwerwiegender: ausgehend von der guten Absicht und Idee, zu einer Revitalisierung der Kirche beizutragen, ist man dahin gelangt, die Grundlagen des christlichen Glaubens selbst und der Moral nach dem Evangelium in Frage zu stellen. Wenn wir im Namen der vom säkularen Denken aufoktroyierten Freiheit so weit gehen, selbst das sakramentale Priesteramt als Fundament der Kirche zu leugnen und alle Abweichungen von der Moral nach dem Evangelium zu erlauben, dann bedeutet dies, dass wir uns außerhalb des Evangeliums und der seit Jahrtausenden gültigen Tradition der Kirche stellen. Eine Freiheit, die nicht an das Naturrecht und an die  Heiligen Schrift geoffenbarten Gebote gebunden ist, ist keine Freiheit, sondern Sklaverei. „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht” (Joh 8, 34). Die Kirche war immer das kritische Gewissen der Gesellschaft und muss dies auch bleiben. Wenn sie ihre Rolle als „Licht der Welt” und „Salz der Erde” nicht mehr erfüllt, verspielt sie jeden Kredit gegenüber der Welt, sie wird dann mit Füßen getreten und versinkt in Bedeutungslosigkeit.

Wir dürfen auch den Krieg in der Ukraine nicht vergessen. Dieser Krieg kann überhaupt nicht rechtfertigen. Aber über jede Verurteilung hinaus sind wir aufgerufen für den Frieden zu beten. Mit Blick auf diesen Krieg sagt Vater Zaharia, ein Schüler des heiligen Sofronie († 1993) vom Kloster des Hl. Johannes des Täufers in Essex (England): „Wir wissen nicht alles über die Konflikte dieser Welt und wir müssen auch nicht alles wissen. Wir beten schlicht mit einem mitleidsvollem Herzen für den Frieden in der Welt und für alle Menschen. Wir ergreifen nicht Partei für eine Seite, denn jede Seite ist verantwortlich für ihre Verbrechen… Wenn wir für die beten, die mehr im Unrecht sind als die anderen, dann erfüllen wir das Gebot der Feindesliebe. Und wenn wir für die beten, die mehr Recht als Unrecht haben, dann tun wir ein gutes Werk.”    

Gott der Allmächtige und Grundgütige möge unsere Arbeit segnen, damit diese auf konkretestmögliche Weise zum Bau Seiner Kirche beitragen möge und nicht  nur wissenschaftliche Studien für Bibliotheken zum Ergebnis haben möge, für die sich nur wenige Menschen interessieren.

 

† Metropolit Serafim, Cluj-Napoca, 12. Oktober 2022