Hl. Nicodim von Tismana

Text aus: Metropolit Serafim – Hesychasmus, Rumänische Tradition und Kultur, Der Christliche Osten Verl., Würzburg, 2003; Teil II. Kap. 3: Der Heilige Nicodim von Tismana, Erneuer des Rumänischen Mönchtums

 Die Entstehung der rumänischen Staaten und der Metropolien sowie die Beziehungen zu den Ländern südlich der Donau und vor allem zum Berg Athos waren der großen monastischen Wiedergeburt der rumänischen Fürstentümer im 14. Jahrhundert äußerst förderlich. Der Mann, den die Vorsehung zur Durchführung dieser monastischen Reorganisation im Geiste des Hesychasmus auf rumänischem Boden ausersehen hatte, war Nicodim, ebenfalls ein Mönch mit „hesychastischer Neigung“1, und eine damals wohlbekannte monastische Gestalt.

Über das Leben des heiligen Nicodim (+ 1406) gibt es außer einigen zeitgenössischen Quellen noch drei spätere Versionen, die traditionsgemäß in seinem Kloster Tismana aufbewahrt werden:

– die in Tismana aufbewahrte, vom arabischen Diakon Paulus von Aleppo verfaßt,dem Begleiter des Patriarchen Makarios von Antiochien während dessen Reise durch die Walachei im Jahre 16572 .

– eine in einer zu seinen Ehren gehaltenen Liturgie enthaltene kurze Biographie, gedruckt im Jahre 1767.

– ein sehr ausführliches“Leben des heiligen Nicodim“, veröffentlicht im Jahre 1839 vom Erzpriester Ştefan von Tismana. Dieser nimmt für sich in Anspruch, daß er sich auf Mönche beruft, die das „Leben des heiligen Nicodim“ in der slawischen Originalfassung kannten, die im 18. Jahrhundert verlorengegangen war.

In diesen hagiographischen Quellen sind Legende und historische Wahrheit in der Tat nicht immer leicht zu unterscheiden.

Es ist nicht bekannt, wann und wo genau Nicodim geboren wurde. Das zeitgenössische Werk „Das Leben des Abtes Jesaja“ vom Kloster Chilandari besagt, daß er griechischer Abstammung war.3  Paulus von Aleppo meint, daß Nicodims Vater Grieche und seine Mutter Serbin gewesen seien.

Nicodim wurde auf dem Berg Athos Mönch, vielleicht im serbischen Kloster Chilandari. Nach einem langen Aufenthalt auf dem Berg Athos kerht er in seine Heimat zurück und läßt sich unweit der Donau nieder, in der Gegend von Kladowa, wo er eine der Heiligen Dreif-altigkeit geweihte Kirche in der Ortschaft Schaina und zwei Klöster, in Vratna und Monastirica, gründet.4 Auf dem Balkan war er sehr bekannt. Einige Quellen berichten, daß der Fürst Lazar beabsichtigte, ihn für das Amt des Oberhauptes der serbischen Kirche vorzu-schlagen, oder zumindest zum Exarchen der serbischen Klöster auf dem Berg Athos. Der heilige Nicodim lehnte aber diese hohen Ämter ab, so wie er es später auch in der Walachei tat, da er seine Freiheit und seinen Seelenfrieden bewahren wollte. Sein Aufenthalt in Serbien dauerte nicht lange. Die politischen Gegebenheiten und sein missionarischer Eifer veranlaßten ihn die Donau zu überqueren und sich in der Walachei, in der Nähe von Severin, niederzulassen. Dies zu der Zeit, als die Region Vidin (und damit auch Kladowa) für ein paar Jahre von den katholischen Ungarn besetzt wurde. Diese versuchten, die rumänische Bevölkerung der Region unter römische Oberhoheit zu zwingen.

Nachdem er über die Donau gesetzt hatte, baute Nicodim im Jahre 1370 auf Kosten des Fürsten Wladislaw – Wlaiku in Vodiţa (Serbien direkt gegenüber) ein dem heiligen Antonios geweihtes Kloster. Es sollte ein Zentrum orthodoxen Widerstandes sein.5 Nicodims Kloster beherbergte zwölf Mönche und war nach den auf dem Berg Athos geltenden hesychastischen Regeln organisiert. Ebenso wie die athonitischen Klöster wurde auch Vodiţa von seinem Begründer mit der vollständigen Autonomie von jeglicher kirchlichen oder weltlichen Macht im Lande versehen (autodespotia; slawisch samovlastije).6

Die hervorragenden Charaktereigenschaften Nicodims, „ein tugendhafter und heiliger Mann, versiert in der Deutung der heiligen Schriften, scharfsinnig und standfest auf dem Gebiet der Dialektik“,7 wie ihn die Vita des Abtes Jesaja beschreibt, erregten 1375 die Aufmerksamkeit eben dieses Abtes Jesaja vom Kloster Chilandari. Vom Fürsten Lazar beauftragt, den Streit zwischen der Serbischen Kirche und dem Patriarchat von Konstantinopel beizulegen, bat Abt Jesaja Nicodim, ihn nach Konstantinopel als Dolmetscher zu begleiten.8 Sie wurden von Kaiser Johannes V Paleologos empfangen und hatten mehrere Unterredungen mit dem hesychastischen Patriarchen Philoteos. Bei dieser Gelegenheit wurde Nicodim zum Archimandriten ernannt und bekam das Recht Kirchen zu weihen.

Nach beendeter Mission (der Patriarch hob das von seinem Vorgänger Kallistos über die serbische Kirche ausgesprochene Anathema auf und erhob deren Oberhaupt in den Rang eines Patriarchen) kehrte Nicodim in die Walachei zurück. In der Zwischenzeit hatte es aber einige wichtige Veränderungen gegeben. Nach dem Tod des Fürsten Wladislaw im Jahre 1377 hatten die Ungarn sich des Severiner Banats ermächtigt, der Region, in der Nicodim’ Kloster lag. Diese neue Lage zwang ihn, ein neues zu errichten. So erbaute er mit der Hilfe des Fürsten Radu I das Kloster Tismana (Kreis Gorj), in einer bergigen, von dichten Wäldern bedeckten Gegend, die ihn vor den Ungarn schützte. Das Kloster Vodiţa verlor er dennoch nie aus den Augen. Was Tismana angeht, so wurde es ebenso autonom wie Vodiţa. Vom Fürsten erlassene Dokumente bestätigten die Autonomie der beiden Klöster nach der „Regel und der Tradition von Nicodim“.9

Die Regel von Tismana war mit Sicherheit die gleiche wie in Vodiţa. Nicodim selbst grub sich über dem Kloster eine Grotte aus dem Felsen, in die er sich zum Gebet in der Einsamkeit zurückzog. Gemäß der Tradition tat er dasselbe auch in Transsylvanien, wo er ein Kloster in Prislop gründete, mit einer Grotte in der Nähe. Auf der letzten Seite eines von ihm Kopierten Evangeliums schrieb der heilige Nicodim folgende Worte: „Dieses heilige Evangelium wurde von Vater Nicodim im Ungarischen Land geschrieben, im sechsten Jahr seines Exils.“10 Dieses „Ungarische Land“ ist Transsylvanien und das Buch hat er zweifellos in seinem Kloster Prislop geschrieben.

Nach seiner Rückkehr von Transsylvanien nach Tismana rief Nicodim Abt Agathon von Vodiţa zu sich, übertrug ihm die Leitung von Tismana und zog sich dann in seine Grotte zurück, um als Hesychast zu leben. Nach dem von zahlreichen Hesychasten befolgten Brauch, betete Nicodim an fünf Tagen der Woche alleine in seiner Grotte und begab sich nur am Samstag und Sonntag zum gemeinsamen Gebet. Dort starb er am 26. Dezember 1406. Die Mönche seiner Klöster und die Gläubigen, die ihn gekannt hatten, „kanonisierten“ ihn schnell, da seine Reliquien Zeugnis ablegten für seinen heiligen Lebenswandel. Im Jahre 1955 bestätigte die Heilige Konzil der Rumänischen Kirche die Verehrung des Heiligen Nicodim in der gesamten Rumänisch-Orthodoxen Kirche.

Unglücklicherweise sind die geschriebenen Werke des heiligen Nicodim nicht bis in unsere Tage erhalten geblieben. Es gibt lediglich zwei Briefe von Patriarch Euthymios von Târnovo, die auf Fragen des Abtes von Tismana eingehen.11

Die Überlieferung schreibt dem heiligen Nicodim auch die Gründung anderer Klöster zu, wie zum Beispiel Topolniţa (wenige Kilometer von Vodiţa entfernt), Cosuştea – Crivelnic, Gura Motrului und Vişina, alle in Oltenien gelegen.

Unter dem Einfluß des heiligen Nicodim und seiner Schüler entstanden zur gleichen Zeit die Klöster Cozia, erbaut vom Wojewoden Mircea dem Alten, Cotmeana (Kreis Argeş), Snagov, Strugalea, Glavacioc, Cosuştea, wahrscheinlich Dealu und einige Skiten (Bradet).

Es hat auch den Anschein, daß seine Schüler in die Moldau vorgedrungen sind, wo sie das Kloster Neamţ errichteten. Gleichzeitig entstanden in der Moldau die Klöster des Heiligen Nikolaus von Poiana Siretului, Moldoviţa, Bistriţa, Humor, Vîrşevăţ, Bogotin und andere, von denen in den folgenden Kapiteln noch die Rede sein wird.

Als Hesychast und Missionar im Geiste des Heiligen Gregor Sinait, den er als junger Mann gekannt haben soll, hat der heilige Nicodim seine Regel vielen von ihm oder seinen Schülern gegründeten Gemeinschaften in den drei rumänischen Ländern hinterlassen. Das rumänische Mönchtum verdankt ihm auch seine hesychastische Ausrichtung im 14. Jahrhundert. Der geistliche und kulturelle Aufschwung, der daraus resultierte, sollte mehr oder weniger ohne Unterbrechung die nächsten drei Jahrhunderte hindurch anhalten.

 

 

  1. Vermerk zu einem Paterikon von 1346. Siehe Emil LAZARESCU, „Nikodemos von Tismana und siene Rolle in der altrumänischen Kultur“(auf Rumänisch), in R. sl. XI, Bukarest, 1965, S. 256, Vermerk 2.

  2. Vasile RADU, Voyages du patriarche Macaire d’Antioche (arabischer Text und französiche Übersetzung), in PO XXII, S. 3-199; XXIV, S. 443-604; XXVI, S. 603-717.

  3. E. TURDEANU, „Les premiers écrivains religieux en Valachie: l’higoumène Nocodème de Tismana et le moine Philothée“, in RER, Paris, 1954, S. 116.

  4. E. TURDEANU, „Früher kultureller Austausch zwischen den Rumänen und den Jugoslawen“(auf Rumänisch), in Cercetari literare III, 1939, S. 142-146.

  5. Archäologische Ausgrabungen haben bewiesen, daß Vodita auf dem Standort eines anderen, älteren Klosters erbaut wurde.

  6. Es ist zu beachten, daß zur selben Zeit der slawische Monachismus südlich der Donau den Regeln des Nomocanon des Photius (1219 ins Slawische übersetzt) folgte, der die Oberhoheit des Bischofs über das monastische Leben festsetzte, ergänzt vom Zakonik des Stefan Dusan (1374), der dem weltlichen Herrscher das Privileg der Ernennung der Äbte für die Klöster seines Landes verlieh.

  7. E. TURDEANU, „Les premiers écrivains … „, S. 116.

  8. ibidem, S. 117.

  9. Mircea PACURARIU, Istoria Bisericii Ortodoxe Romane (IBR) Bukarest, 1990, Bd. I, S. 290 – 291; E. TURDEANU. „Les premiers écrivains … „, S. 123.

10. Tit SIMEDRA, „Kommentar zu einer Anmerkung“(auf Rumänisch), in MO XII (1961), 1-4, S. 18.

11. Siehe E. TURDEANU, La littérature bulgare du XIVème siècle et sa diffusion dans les pays roumains, Paris, 1947, S. 123; und E. NOROCEL, „Der heilige Euthymios von Tarnovo und seine Beziehungen zur rumänischen Kirche“(auf Rumänisch), in Bor LXXXIV (1966), 5-6, S. 570.