Pastoralbrief zum Ostern 2015

Ehrwürdige Väter und geliebte Gläubige,

Christus ist auferstanden!

Die Auferstehung des Herrn, die heute mit unaussprechlicher Freude von der gesamten Christenheit gefeiert wird, hat das irdische Leben unseres Erlösers Jesus Christus mit dem Sieg über den Tod, den „den letzten Feind“ (1. Kor. 15,26), der auch der schrecklichste Feind des Menschen ist. Nach 33 Jahren, die er auf Erden mit Menschen verbrachte, deren Sünden und Leiden Er auf Sich nahm, nahm der Erlöser aus freien Stücken den schändlichsten und quälendsten Tod auf Sich, um die Menschen auch von ihrem letzten Feind zu befreien, dem Tode. Der Gedanke an den Tod ist erschreckend, vor allem für die Menschen, die wenig Glauben haben oder nicht von ganzem Herzen glauben. Der Tod löst Angst aus, weil er nicht zur Natur des Menschen gehört, der für das Leben und nicht für den Tod erschaffen wurde.  Wir wissen, dass die Menschen dank der Sünde sterblich wurden. Wenn Adam und Eva nicht durch das Kosten vom verbotenen Baum gesündigt hätten, wären sie unsterblich geblieben und im Status der Sündlosigkeit, in der sie Gott der Herr erschaffen hat. Dann hätte die gesamte Menschheit die Sünde und das Böse nicht kennengelernt, sondern nur die Liebe, die den Menschen mit Gott und seinen Nächsten vereint. Trotzdem haben die ersten Menschen gesündigt und nach ihnen die alle Menschen bis heute, und deshalb ist der Tod in unser Leben als Irdische eingetreten. Wenn wir vom Tod sprechen, denken wir – im Allgemeinen – an den Tod des Leibes, der am Ende des Lebens auf Erden steht. Es sind nur wenige, die dabei auch an den Tod der Seele denken, der bewirkt wird, wenn der Mensch sich von Gott entfernt, nicht mehr betet und keine Verbindung mehr zur Kirche hält, wenn er nicht mehr ohne Eigeninteresse liebt, sondern sich nur noch mit Dingen dieser Welt beschäftigt, die er auf eine leidenschaftliche Weise missbraucht, um seine egoistischen Gelüste zu befriedigen.

Durch Seine Auferstehung hat der Erlöser die Menschen sowohl vom seelischen Tod, als auch vom leiblichen Tod befreit. Trotzdem geben wir uns nur in dem Maße wirklich Rechenschaft über die Befreiung vom Tode, in dem wir uns mit unserem Christus im Gebet und durch die Kommunion an Seinem Leib und Blut vereinen, wodurch wir allmählich eins werden mit Ihm, also gut wie Er, versöhnlich wie Er, voller Nächstenliebe wie Er. Bis wir nicht eins werden mit Christus, wirkt die Sünde weiter in uns in unterschiedlichen Formen: Versuchungen, Unvermögen, seelischen und körperlichen Krankheiten, Erfolglosigkeiten, Mutlosigkeit im Kampf gegen die Schwierigkeiten des Lebens etc., all das ist Folge der Sünde. Aber es ist auch die Auferstehung in unserem Leben gegenwärtig jedes Mal, wenn wir mit Glauben und in Demut beten, wenn wir fasten, wenn wir mit Ehrerbietung an der Göttlichen Liturgie teilnehmen und die Kommunion an Leib und Blut des Herrn empfangen, und wenn wir unseren Nächsten Gutes tun. In all diesen Glaubensakten ist der Erlöser Christus mit dem Geschenk Seiner Auferstehung gegenwärtig, die unser Leben erneuert und uns „Leben in der Fülle“ schenkt. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben und es in Fülle haben.“ (Johannes 10,10) Das bedeutet, dass der gläubige Mensch niemals den Mut im Kampf mit den Versuchungen und Schwierigkeiten des Alltags verliert, und auch nicht die Hoffnung, dass er letztlich mit der Hilfe Gottes siegen wird: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Johannes 16,33),  so ermutigt uns der Erlöser, in welcher Not wird uns auch befinden. Ebenfalls der Erlöser ist es, der uns Vertrauen schenkt mit den Worten: „Alles ist möglich dem, der glaubt.“ (Markus 9,23) Leider haben wir alle einen kleinen Glauben, aber wir sollen nicht entmutigt werden, sondern rufen wie der Vater des Kindes mit dem besessenen Geist: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Markus 9, 24)

Geliebte Gläubige,

das Leben ist für niemand von uns leicht; wir alle sind täglich mit einer Menge an Problemen und Leid konfrontiert: in der Familie, in den Beziehungen zu unseren Nächsten, am Arbeitsplatz, ja überall. Es ist wahr, dass wir einige Leidenserfahrungen, die über uns kommen, nicht aus dem Weg gehen können, was wir auch tun. Trotzdem schaffen wir uns häufig selbst Probleme, weil wir zu anspruchsvoll sind, weil wir keine Geduld haben und auch zu leicht in Streit geraten, weil wir Egoisten sind und wollen, dass alles nach unserem Willen geht etc. Wie viel Leid und Verdruss in unserem Leben könnten wir vermeiden, wenn wir bescheidener wären, wenn wir mehr beten würden, wenn wir uns mehr in den Willen Gottes fügen würden, von dem wir wissen, dass er „bei denen, die Ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Römer 8, 28). Die Kraft des Glaubens zeigt sich vor allem in der Selbstbeherrschung und der Bewahrung von Ruhe in jeder Lebenslage, im Ertragen von Leidenserfahrungen, in der Dankbarkeit für das Wenige, das wir haben, und in der Liebe zu denen, die uns Böses tun. Und wir sollen die Überzeugung gewinnen, dass wir in dem Maße leiden, in dem wir Böses tun. Jedes Leid ist die Folge einer Sünde oder mehrerer Sünden, die wir vor kurzem oder schon länger begangen haben. Es gibt eine göttliche Waagschale, die jedem nach seinen Werken vergilt. Daher sagt der Apostel Paulus: „Täuscht euch nicht: Gott lässt keinen Spott mit sich treiben; was der Mensch sät, das wird er ernten“ (Galater 6, 7) Wenn wir täglich mehr mit unseren Sünden kämpfen würden, die schon zu schlechten Gewohnheiten geworden sind, wenn wir mehr an Gott denken und Ihn zu Hilfe rufen würden, würden wir von Ihm auch Mut und Seelenfrieden geschenkt bekommen, wodurch unser Leben leichter würde.  Daher lege ich Euch das Gebet ans Herz und ermuntere Euch, immerzu und überall zu beten: zu Hause, unterwegs, bei der Arbeit und vor allem in der Kirche, wo das Gebet tiefer ist und uns noch mehr mit Gott vereint, von dem „jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt“ (Jakobus 1, 17). Betet neben den traditionellen Gebeten, die Ihr in jedem Gebetbuch findet, von Herzen auch kurze Gebete wie das „Jesusgebet“: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner, der Sünder!“ oder „Herr, hilf mir!“, „Herr, bewahre mich!“, „Herr, erleuchte mich!“ etc. Wir sollen uns an solche kurze, häufig wiederholte Gebete gewöhnen, weil sie uns von großer Hilfe sind. Und wir sollen auch unsere Kinder erziehen, so zu beten. Das Gebet ist unsere Rettung aus jeder Lebenslage und aus jeder Prüfung. Das Gebet rettet uns auch vom Tode! Wenn wir nicht mehr beten, sind wir schon seelisch tot! Dann haben wir keinen Schutz und keine Hilfe mehr und werden von Prüfungen und Leidenserfahrungen besiegt.

Geliebte Gläubige,

unsere Kirche ruft uns durch die Stimme unseres Oberhaupts, Vater Patriarch Daniel, dazu auf, dass wir in diesem Jahr uns noch mehr der Bedeutung der Heiligen Sakramente der Beichte und der Heiligen Kommunion für unser Leben als orthodoxe Christen bewusst werden, zweier Heiliger Sakramente, ohne die es keine Erlösung gibt. Niemand kann erlöst werden, der nicht vor seinem geistlichen Vater seine Sünden bekennt, um die Vergebung von Gott zu erhalten. Nach Seiner Auferstehung zeigte sich der Erlöser den Aposteln und hauchte sie an mit den Worten: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“ (Johannes 20, 23) Die Vollmacht, Sünden im Sakrament der Beichte zu vergeben, ist die größte Gabe, die von Gott den Menschen gemacht wurde. Wenn es diese Gabe nicht gäbe, würden wir alle in unseren Sünden sterben ohne jede Hoffnung auf Erlösung. Zugleich wird niemand erlöst ohne Kommunion an Leib und Blut Christi, wie Christus der Herr selbst sagt: „Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.“ (Johannes 6, 53-54) Die Heilige Kommunion ist für uns Christen die wahre Speise, die Speise, die uns eins macht mit Christus: „Mein Fleisch ist wirklich eine Speise und mein Blut ist wirklich ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm!“ (Johannes 6, 55-56) Wenn wir so oft als möglich beichten und die Kommunion empfangen, leben wir mit Christus dem Herrn und werden von Ihm bewahrt. Der Tod wird dann keine Macht mehr über uns haben und werden viel leichter die Versuchungen des Lebens überwinden. Und der leibliche Tod wird sich in Ostern verwandeln, also in den Übergang zum ewigen Leben.

Geliebte Gläubige,

wie Sie wissen, ist in der letzten Zeit die Zahl der orthodoxen Rumänen in Deutschland, Österreich und Luxemburg, jenen Ländern, die zu unserem Erzbistum gehören, stark angewachsen. Wir Priester sind verpflichtet, alle willkommen zu heißen. Doch um die Zahl der Kirchen zu  vergrößern, sind wir auf die Mitwirkung der Gläubigen angewiesen, die in Städten leben, wo es keine rumänische Pfarrei gibt. Scheuen Sie sich nicht, bei unserem Bischofsamt in Nürnberg die Gründung neuer Pfarreien zu beantragen. Wir werden uns bemühen, Priester zu finden und Kirchen, wo wir Gottesdienst feiern können. Eines unserer fortwährenden Probleme als orthodoxe Rumänen ist es, dass wir eigene Kirchen bekommen oder bauen nach dem Beispiel der anderen Orthodoxen aus diesem Land. Daher lege ich Ihnen ans Herz, die Priester in ihrem Einsatz für dieses große und heilige Ziel zu unterstützen. Wir sollen auch unsere Eltern und Brüder nicht vergessen, die in der Heimat leben und sie alle nach unseren Möglichkeiten unterstützen. Jede nach Rumänien geschickte Unterstützung ist von großem Nutzen und Gott wird uns nach unserem Herzen belohnen, mit dem wir Gutes tun.   

Ich lege Euch diese Worte der Lehre ans Herz in der Hoffnung, dass Ihr diese im Gedächtnis haltet und bewegt und Euch bemüht, diese täglich zu befolgen, und segne Euch im Namen des Herrn: Kinder und Eltern, Junge und Ältere, und ich bete zum Erlöser Jesus Christus, den von den Toten Auferstandenen, dass er Euch Gesundheit, Verstehen in der Familie, Weisheit und die nötige Energie zu allem Guten schenken möge.

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!“

Christus ist auferstanden!

Serafim

Erzbischof und Metropolit

 (Übersetzung: Pfarrer Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)