Pastoralbrief zum Ostern 2021

 Laßt uns Brüder nennen auch die, die uns hassen; verzeihen wir alles um der Auferstehung willen (Kanon der Auferstehung).

 Hochwürdige Väter und geliebte Gläubige,

Christus ist auferstanden!

Wir geben Gott die Ehre und danken Ihm dafür, dass wir in Frieden und Gesundheit beim höchsten Fest der Christenheit angelangt sind: der Feier der Auferstehung des Herrn. Wir danken Gott auch dafür, dass wir heuer im Unterschied zum letzten Jahr die Auferstehung in unseren Kirchen unter Einhaltung aller uns auferlegter Hygieneschutzbestimmungen feiern können. Unter diesen Bedingungen wird in vielen unserer Pfarrgemeinden der Osternacht-Gottesdienst früher als üblich und sogar mehrfach gefeiert, damit möglichst viele Gläubige teilnehmen können. Damit wir die Ostergaben der Auferstehung empfangen können, ist es wichtig, dass wir innerlich zur Ruhe kommen und unsere ganze Aufmerksamkeit auf den Gottesdienst konzentrieren, der in der Kirche oder im Freien gefeiert wird. Ein Gottesdienst oder ein Gebet, das nicht in unser Herz vordringt, weil wir nicht aufmerksam sind, dienen uns nicht. Die „Heilige Ostergabe“, die nach dem Auferstehungsgottesdienst ausgeteilt wird (geweihtes Brot vermischt mit geweihtem Wein) und die Osterkerzen, die wir mit nach Hause nehmen, sind nur dann ein Segen für jeden, wenn wir mit Andacht am Gebet teilgenommen haben.     

 Geliebte Gläubige,

 in einer der schönsten Hymnen zum  Heiligen Osterfest singen wir: „Tag der Auferstehung! Laßt uns vor Freude strahlen zu diesem hohen Fest und einander umarmen. Laßt uns Brüder nennen auch die, die uns hassen; verzeihen wir alles um der Auferstehung willen; und so laßt uns rufen: Christus ist auferstanden von den Toten, durch den Tod hat er den Tod zertretenund denen in den Gräbern das Leben geschenkt.“

Alle Gesänge zur Auferstehung sind eine „Explosion“ an Enthusiasmus und Freude, die nicht von dieser Welt sind. Niemals sind wir in der Seele mehr erleuchtet und fröhlicher, von irdischen Sorgen befreiter und mehr bereit, allen zu vergeben als in den Ostertagen. Die Auferstehung des Herrn übt auf uns eine überwältigende Anziehungskraft aus. Deshalb strömen die Menschen zu hunderten und tausenden in die Kirche, um sich von den einmaligen Hymnen der Auferstehung milde und gütig stimmen zu lassen. Doch das Licht und die Freude der Auferstehung lassen sich nicht auf die Ostertage beschränken. Sie setzen sich fort auch in unserem Alltagsleben, wenn wir eifrig beten, wenn wir eine enge Beziehung zur Kirche Gottes halten und uns von Sünden ferne halten. Genauso wichtig ist es, dass wir uns nicht von den Sorgen des Lebens überwältigen lassen und darüber Gott und das Gebet vergessen. Dann werden wir niemals das Licht und die Freude in unserer Seele verlieren, trotz aller Anfechtungen des Lebens. Wenn wir keinen lebendigen Glauben haben und nicht täglich beten, werden wir von allem Bösen heimgesucht. Wir müssen uns immer dessen bewusst  sein, dass wir nirgends eine größere Hilfe finden als jene, die uns die Kirche Christi bietet, das „Laboratorium der Auferstehung“, wie sie der größte rumänische Theologe Vater Professor Dumitru Stăniloae (1903-1993) nannte, der kürzlich zur Kanonisierung vorgeschlagen wurde. An jedem Sonntag und Feiertag und bei jedem Gottesdienst der Kirche auferstehen auch wir gemeinsam mit Christus, dem Herrn, Der in unserer Seele die Kraft erneuert, das Böse, die Krankheit und alles Leiden zu überwinden. Von jeder Göttlichen Liturgie kehren wir erleichterter und beschwingter nach Hause zurück, entschlossener, unseren Nächsten zu vergeben, die sich an uns versündigt haben, um mit allen in Frieden zu leben.

Die Auferstehung des Herrn ruft uns auf ganz besondere Weise dazu auf, „alles um der Auferstehung willen zu vergeben“. Wir alle sündigen viel vor Gott, wenn wir Seine geheimnisvolle Gegenwart in unserer Seele vergessen und wie Ungläubige leben, so wie wir uns auch an anderen Menschen versündigen und falsch verhalten. Doch es gilt, was der selige Bischof Augustinus († 430) in einem weisen Spruch sagt: „Irren ist menschlich, aber aus Leidenschaft im Irrtum zu verharren ist teuflisch. Gott der Herr weiß um das menschliche Unvermögen, und in Seiner unendlichen Liebe zu jedem Menschen erwartet er lange unsere Abkehr von der Sünde. Aber um auf die rechte Bahn zu gelangen müssen wir um unsere Sünde wissen – und Gott gibt uns dieses Bewusstsein um unsere eigene Sünde, wenn wir darum beten –, wir müssen beichten und uns bewusst dafür entscheiden, hinfort nicht mehr zu sündigen. Die geistlichen Väter lehren uns, dass die Erlösung für jeden von uns von unserem Bruder kommt: wenn wir in Harmonie mit unseren Nächsten leben, beginnend mit der eigenen Familie, wenn wir uns an Böses nicht erinnern, sondern von Herzen vergeben und denen Gutes tun, die uns Böses tun, dann gewinnen wir unseren Bruder, der von unserer Milde und Güte überwältigt sein wird, für uns und werden alle erlöst. So lasst uns den Frieden mit allen Menschen suchen, ohne den niemand Gott schauen kann (vgl. Hebr. 12, 14)            

Geliebte Gläubige,

Ich möchte diese kurze Pastorale schließen mit dem geistlichen Rat, dass Sie sich nicht von Furcht überwältigen lassen in diesen Zeiten der Prüfung für die gesamte Welt. Habt keine Angst vor dieser Krankheit! Habt keine Angst vor irgendeinem Übel!  Fürchtet euch nur vor der Sünde, damit Ihr keine Sünde begeht! Unser Leben ist in Gottes Hand und wir wissen, dass „Gott bei denen, die Ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Römer 8, 28). Gott behütet uns und errettet uns aus allem Unheil, wenn wir aus tiefstem Herzen beten, wenn wir unsere Sünden anerkennen, keine Ausflüchte suchen und niemand anderem dafür die Schuld geben. Gott lässt keine Versuchungen und kein Unglück zu, das die Kräfte des gläubigen Menschen übersteigt, sondern Er „macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr’s ertragen könnt“, wie uns der hl. Apostel Paulus ermutigt (1. Kor. 10, 13). Gewiss erwartet Gott, das wir das uns Mögliche tun: dass wir ein enthaltsames Leben führen und alle Extreme vermeiden: Essen, bis uns schlecht wird, übermäßiges Trinken, sich zu Tode arbeiten, Übermüdung… Auch sollen wir negative Gedanken verjagen wie etwa Furcht, Hass, Streitsucht und Verharren in der Erinnerung an widerfahrenes Übel – zugleich sollten wir uns immer um ein positives Denken bemühen. Ein Mensch, der positiv denkt, wird vor allem Bösen bewahrt!

In diesem Jahr können aufgrund der Pandemie nur wenige von uns in die Heimat fahren, um das Heilige Osterfest mit den Eltern und Geschwistern aus unserer Familie, mit Nachbarn und Verwandten zu feiern. Trotzdem lege ich Euch ans Herz, die Menschen in der Heimat nicht zu vergessen, vor allem die alten, kranken und einsamen Menschen, sondern Kontakt zu halten über die modernen Kommunikationsmittel. Und vergessen wir auch nicht die zum Herrn Heimgegangenen aus unseren Familien, sondern feiern Gottesdienste zum Totengedenken für sie.                 

Indem ich Euch all diese väterlichen Ermahnungen ans Herz lege in der Hoffnung, dass Ihr diese nach Kräften annehmt und erfüllt, sichere ich Euch meine Liebe und meine Fürbitte zu und wünsche Euch, dass Ihr die Heiligen Feiertage in Frieden und Freude mit Euren Familien und den Euch Nahestehenden feiern könnt. So mögen wir uns einander geistlich umarmen mit dem österlichen Gruß:

Christus ist auferstanden!

Er ist wahrhaftig auferstanden!

 

† Metropolit Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa

 

(Übersetzung: Pfarrer Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)