Pastorale des Metropoliten Serafim zum Heiligen Osterfest 2024

„Kommt alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken” (Matthäus 11,28)

Ehrwürdige und Hochwürdige Väter und geliebte Gläubige,

Christus ist auferstanden!

Wir freuen uns heute über die Auferstehung Christi mit einer Freude, die jede irdische Freude übertrifft und übersteigt. Unsere Seele zuckt zusammen bei den Hymnen des Heiligen Osterfests: „Christus ist auferstanden von den Toten, mit dem Tod hat Er den Tod besiegt und denen in Gräbern das Leben geschenkt”; „Auferstehungstag! Lasset uns Licht werden, ihr Völker! Das Pascha, des Herrn Pascha! Denn vom Tode zum Leben und von der Erde zum Himmel hat Christus, unser Gott, uns hindurchgeführt, uns, die wir das Siegeslied singen“; „Jetzt ist alles erfüllt vom Licht: Himmel und Erde und was darunter ist…“. Die ersten Worte, die der Erlöser an die balsamtragenden Frauen richtete, die zu früher Morgenstunde zum Grab gelaufen waren, um mit Salböl Seinen Leib zu salben, lauteten: „Freut Euch!“ und „Fürchtet Euch nicht!“ (Matthäus 28, 9-10). Und den Aposteln rief Er zu: „Friede sei mit euch!“ (Johannes 20,19). Diese Worte richtet der Erlöser auch an uns als jene, die zu Mitternacht in die Kirche geeilt sind, damit wir die Auferstehung des Herrn feiern: Freut Euch! Fürchtet Euch nicht! Friede sei mit Euch! Was kann wertvoller sein in dieser Welt als Freude, Mut und Frieden in unseren Seelen zu haben!

Beim Letzten Abendmahl sagte der Erlöser Seinen Jüngern, bevor Er gekreuzigt wurde: „In der Welt seid ihr in Bedrägnis; aber habt Mut, Ich habe die Welt besiegt.“ (Johannes 16, 33) Weil wir in einer Welt leben, in der die Sünde herrscht, ist es unmöglich, dass wir keine Leidenserfahrungen machen, denn die Sünden eines jeden und die aller Menschen ziehen bei uns allerlei Krankheiten und Ratlosigkeit nach sich. Alles, was wir in unserem Leben an Schlimmem erleben, ist der Sünde geschuldet. Und „der Tod ist der Sünde Sold“ (Römer 6, 23), mit allen Begleitumständen an Leid, das ihm vorausgeht. Und obwohl Er weiß, dass „das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens böse ist von Jugend auf“ (1. Mose 8, 21; vgl. Fünftes Gebet beim Sakrament der Heiligen Salbung) hat Gott lange Geduld mit unseren Sünden und wartet auf unsere Reue, Buße und Umkehr. In diesem Sinne heißt es auch beim  Propheten Hesekiel von Gott: „Ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe“ (Hesekiel 33, 11). Dabei sollen wir den unerschütterlichen Glauben daran haben, dass der vom Tode auferstandene Erlöser Jesus Christus in jedem Moment unseres Lebens mit uns ist und uns, wenn wir beten, auch hilft, die Sünde mit all ihren verhängnisvollen Folgen zu überwinden, die im Tod gipfeln. Er ruft uns immerzu zu Sich mit den Worten: „Kommt alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken” (Matthäus 28, 11). So lasst uns täglich zum Erlöser eilen und zu Ihm beten: zu Hause, unterwegs, auf der Arbeit und vor allem in der Kirche, um unser Leid vor Ihn zu bringen – Er wird uns erquicken und Ruhe schenken. Gleichzeitig sollen wir uns selbst anhalten, nicht mehr zu sündigen und unseren Nächsten so viel Gutes wie möglich zu tun. Der heilige Markus der Asket (Markus Eremita [von Ankyra]; 5. Jh.) ermuntert uns zum Gebet mit den Worten: „Sobald du an Gott denkst, bete! Denn dann wird Gott an dich denken, wenn du Ihn vergisst.” Vater Teofil († 2009) vom Brâncoveanu-Kloster Sâmbăta de Sus erinnerte sich stets an die Mahnung seiner Mutter, die ihm auf den Schulweg mitgab: „Mein Kind, vergiss Gott den Herrn nicht, vergiss das Beten nicht!” Wie gut wär’es, wenn alle Eltern diese Ermahnungen in das Herz ihrer Kinder einpflanzen würden: „Vergiss Gott den Herrn nicht, vergiss das Beten nicht!” Denn ohne Gebet sind wir geistlich tot!

Geliebte Gläubige!

Im Jahr 1994 hat die Heilige Synode der Rumänischen Orthodoxen Kirche auf Wunsch mehrerer Priester und vieler Gläubiger aus Deutschland die Gründung der Rumänischen Orthodoxen Metropolie von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa beschlossen zur seelsorgerlichen Betreuung des geistlichen Lebens der orthodoxen Rumänen in dieser Region Europas. So werden es heuer 30 Jahre, dass wir als Metropolie bestehen! Deren Gründung war eine Notwendigkeit nach dem Ende der kommunstischen Diktatur, als die Sachsen aus Siebenbürgen und die Schwaben aus dem Banat aus Rumänien ausgewandert sind, nachdem viele von ihnen mit orthodoxen Rumänen verheiratet waren. Dem politischen Exil aus der kommunistischen Zeit gesellt sich nun noch die Emigration aus Wirtschaftsgründen hinzu.

Viele Rumänen haben ihr Land verlassen, um im Westen besser zu leben. Ihre Zahl ist noch beträchtlich angewachsen nach dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union 2007 und vor allem nach der Liberalisierung des Arbeitsmarktes 2014. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt leben etwa 1,5 Millionen Rumänen in Deutschland, auch in Österreich sind es über 150.000. 85,5 Prozent der Bevölkerung Rumäniens gehört der Rumänischen Orthodoxen Kirche an. Über acht Millionen Rumänen, darunter die überwältigende Mehrheit junge Menschen, leben jetzt im Ausland. Ein irreparabler Verlust für unser Land und Volk, dem die Auslöschung droht. Im Allgemeinen haben sich die Rumänen gut in die neuen Gesellschaften integriert, in denen sie leben; trotzdem geschieht diese Integration nicht ohne darunter zu leiden, denn jede Entwurzelung verursacht Leid. Unser jeweiliger Geburtsort, unsere Familie, unser Glaube wie auch die Sprache und Kultur unseres Volkes – all das ist in unsere Gene eingeschrieben, die wir immer in uns tragen, egal wo wir leben. Und es gibt zahlreiche Fälle von Rumänen, die in ihr Heimatland zurückgekehrt sind aufgrund des Mangels an sozialen Kontakten und Beziehungen im Ausland und weil das Heimweh sie derartig verzehrt hat, dass sie die Entfremdung von zu Hause nicht mehr ertragen konnten. Einige wurden sogar krank von Heimweh und so viel Leid.

Doch die größte Gefahr besteht für uns im Verlust der eigenen ethnischen Identität und des Glaubens, wenn wir den Kindern nicht die rumänische Sprache und den orthodoxen Glauben beibringen. Die Erziehung der Kinder beginnt in der Familie durch den Gebrauch der Muttersprache und durch Vermittlung der elementarsten Kenntnisse über den Glauben sowie durch das gemeinsame Beten mit ihnen. Soziologische Studien unterstreichen die grundsätzliche Notwendigkeit, dass eine Mutter mit ihren Kindern ihre Muttersprache spricht. Andernfalls werden diese groß mit einem echten Handicap. Wir dürfen überzeugt sein davon, dass die größten Gaben, die Eltern ihren Kindern mitgeben können, der Glaube und die eigene Muttersprache sind. Ein Kind, das im Kreis der Familie einen lebendigen Glauben vermittelt und vorgelebt bekommen hat, wird alle Lebenslagen bewältigen, denn die Kraft Gottes im Menschen besteht im Glauben. Und wenn wir Gott  in unserem Herzen haben, werden wir immer siegen.

Zu der Anstrengung der Eltern, die Kinder zu erziehen, kommt noch das Bemühen jeder Pfarrgemeinde durch Programme mit orthodoxer Katechese und Stunden mit rumänischem Sprachunterricht hinzu. Es ist eine Glaubenspflicht jedes Priesters und jeder Pfarrgemeinde, die sich um ihre Zukunft sorgen und kümmern muss, denn ohne Kinder und junge Menschen in der Kirche haben wir keine Zukunft. Die primäre Rolle spielen natürlich die Eltern, die aufgerufen sind, ihre Kinder Sonntag für Sonntag zur Kirche zu bringen und dem Priester dabei zu helfen, die Katechese für diese zu organisieren. Der Erlöser selbst ermahnt uns: „Lasset die Kinder zu Mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.” (Lukas 18,18) Die Kommunion der Kinder an der Euchariste bei jeder Göttlichen Liturgie stellt die größte Hilfe für ihres geistliches Wachstum und Reifen dar. Auch wenn sie in den Jahren der Pubertät die für diese Zeit spezifischen Krisen durchlaufen müssen und sich von der Kirche entfernen, so wird doch der von klein auf in ihnen gepflanzte Same des Glaubens aufgehen und reichlich Frucht bringen, so dass sie später zum Glauben zurückfinden. Kinder freilich, die nicht regelmäßig die Liturgie besucht und die Kommunion an Leib und Blut Christi empfangen haben, werden später nur schwer Gott in ihrem Leben wiederentdecken! Dies auch deshalb, weil wir in einer entchristlichten Gesellschaft leben, in der Geld und Vergnügen am meisten zählen, und weil die meisten Gläubigen nicht mehr an ihre Erlösung denken und nur selten die Kirche aufsuchen, höchstens wenn sie von Leid und Schicksalsschlägen heimgesucht werden.

Daher müssen die Eltern zuerst christliche Unterweisung bekommen, damit sie ihrerseits ihre Kinder im Glauben erziehen. Die Kirche legt großen Wert auf die richtige Vorbereitung auf das Sakrament der Taufe, auf der das ganze christliche Leben aufbaut. In der Antike gab es einen katechetischen Unterricht zur Taufvorbereitung, der zwischen einem und drei Jahren dauerte. Also gab es bis zu drei Jahren Vorbereitung auf die Taufe! Heute bemühen wir uns darum, wenigstens ein paar Mal mit den Eltern und Paten vor der Taufe zusammenzutreffen, damit diese verstehen, was die Taufe bedeutet und welche Pflichten sie gegenüber ihrem Kind oder Patenkind haben. Ohne diese Katechese in Kurzform für die Eltern und Paten würde der Gottesdienst der Taufe sich für sie auf ein Ritual oder eine reine Formsache reduzieren und beschränken. Leider ist die Familienfeier nach der Taufe mittlerweile für die meisten wichtiger als die Taufe selbst. Genauso verhält es sich auch mit der Trauung. Deshalb lege ich Euch ans Herz, Euch auf die Taufe und die Hochzeit gut vorzubereiten, sowohl durch die Teilnahme an Vorbereitungstreffen, die die Gemeindepriester zu diesem Zweck organisieren, als auch durch das Sündenbekenntnis im Sakrament der Beichte.

Aus Anlass des 30jährigen Jubiläums der Gründung unserer Metropolie hat der Bistumsrat den Druck von 30.000 Bibeln beschlossen, die in Osternacht und zu anderen Anlässen verteilt werden.

Ich danke an dieser Stelle von Herzen der Heiligen Synode der Rumänischen Orthodoxen Kirche mit Seiner Seligkeit Patriarch Daniel an der Spitze für all die Fürsorge für die Rumänen, die in der Diaspora leben; ich danke von Herzen den Priestern, Diakonen mit ihren Familien sowie allen Gläubigen, die während all dieser Jahre das geistliche Wirken unserer Metropolie unterstützt haben und weiterhin unterstützen. Auf diese alle rufe ich im unablässigen Gebet den Segen Gottes herab!

Ich lege Ihnen diese geistlichen Weisungen ans Herz, die aus dem Herz des Vaters kommen, der sich über alle seine geistlichen Kinder freut, aber auch am Ungehorsam mancher leidet; ich umarme Sie herzlich und richte an Sie den österlichen Gruß: „Christus ist auferstanden!”, verbunden mit dem Wunsch: „Gesegnete Feiertage!”

† Metropolit Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa

 

[Übersetzung: Pfarrer Prof. h. c. Dr. Jürgen Henkel, Selb]