Pastorale zum Auftakt der Großen Fastenzeit 2021

  Ehrwürdige Väter und geliebte Gläubige,

 Wir danken Gott dem Grundgütigen, dass Er uns für würdig erachtet hat, in Frieden und Gesundheit zum Beginn dieser Großen Fastenzeit zu gelangen. In den sieben Wochen der Fastenzeit, die nun folgen, werden wir uns mehr noch denn sonst im Jahr darum bemühen, unseren Erlöser Jesus Christus auf Seinem Kreuzweg nach Golgatha zu begleiten.

Freilich war der gesamte irdische Lebensweg des Herrn wie ein kontinuierliches Kreuz, das Er freiwillig aus Liebe und in Geduld auf Sich genommen hat, in dem Wissen darum, dass Er nur indem Er das Leiden auf Sich nahm die Menschen erlösen konnte. Das Kreuz, das Er täglich zu tragen hatte, kulminierte in Seiner Kreuzigung auf Golgatha, auf die die Auferstehung am dritten Tage folgte, durch die Er uns von der Herrschaft des Todes und der Macht des Teufels befreit und uns das ewige Leben geschenkt hat.      

Genauso wie das Leben unseres Erlösers hält auch unser Leben für uns ein tägliches Kreuz bereit, das wir zu tragen haben – und dies wie Er mit Liebe und Geduld. Der Herr ermutigt uns zum Tragen des Kreuzes, das jedem von uns aufgegeben ist, mit den Worten: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.” (Johannes 16, 33)  

Es sind drei Forderungen, die der Erlöser in dem heute verlesenen Evangelium an uns stellt: 1. Die Vergebung gegenüber unseren Nächsten, 2. das Fasten und 3. den Verzicht auf die Habsucht.

1. Das Heilige Evangelium beginnt mit den Worten: „Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, so wird Euer himmlischer Vater auch Eure Sünden nicht vergeben.” (Matthäus 6, 15) Die Vergebung gegenüber unseren Nächsten ist die absolute Bedingung dafür, dass wir von Gott die Vergebung unserer Sünden empfangen. Im Herrengebet des Vaterunser bitten wir Gott: „und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern”. So sollen auch wir von Herzen allen vergeben, die sich an uns versündigt haben, denn sonst werden unser Fasten und unser Gebet nicht von Gott angenommen.

2. Das Heilige Evangelium von heute geht weiter mit den Worten: „Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen, mit ihrem Fasten. (…) Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, (…); und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.” (Matthäus 6, 16-18) Das Fasten ist eine universale religiöse Praxis, die aus einer Notwendigkeit heraus entstand, und zwar sowohl einer seelischen, als auch einer körperlichen. Seele und Leib des Menschen brauchen eine Erleichterung, die von der Selbstzügelung an Essen und Trinken kommt. Ohne Fasten werden Seele und Leib beschwert, sie werden geschwächt und erkranken. Sogar die moderne Wissenschaft empfiehlt, an zwei Tagen der Woche 20 Stunden lang nichts zu essen und zu trinken. Dies ist die alte Praxis des Fastens, als die Christen während der gesamten Fastenzeit sowie im restlichen Jahr auch mittwochs und freitags bis abends oder wenigstens bis 15 Uhr, der Todesstunde des Erlösers am Kreuz, nichts aßen und tranken! Die Erklärung für die positiven Wirkungen des Fastens liegt darin, dass durch das Fasten der Organismus von Giften gereinigt wird und sich regeneriert, die Seele wiederum kann mit der notwendigen Aufmerksamkeit beten, weil sie nicht mehr von Materie beschwert ist, damit sich der Geist mit dem Herzen vereinen kann.

So sollen wir mit Freude fasten, jeder nach seinen Kräften, und das während der ganzen Fastenzeit, so werden wir auch zu der Überzeugung gelangen, wie wohltuend das Fasten für uns ist. Nach sieben Wochen Fasten werden wir uns seelisch wie körperlich erleichtert und verjüngt fühlen.

3. Das Evangelium von heute fährt fort: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo Motten und Rost sie fressen und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie fressen und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.” (Matthäus 6, 19-21) Dies sind göttliche Wahrheiten, an die wir Tag für Tag denken sollten, vor allem weil das Leben in der Welt von heute eine fortwährende Jagd nach Geld und materiellen Gütern ist. Gewiss brauchen wir alle die materiellen Dinge zum Leben und Überleben, doch wir sollen dabei nicht vergessen, dass „das Leben mehr ist als die Nahrung und der Leib mehr ist als die Kleidung”, wie uns der Erlöser sagt (Lukas 12, 23). Der Mensch besteht nicht nur aus dem Leib, sondern auch aus der Seele, ohne die der Leib tot ist. Und so wie wir unseren Leib tagtäglich mit Essen und Trinken nähren, so müssen wir auch unsere Seele nähren mit dem tagtäglichen Gebet, mit der Teilnahme an der Göttlichen Liturgie und der Kommunion an Leib und Blut des Herrn. Denn „wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken“, sagt der Herr (Johannes 6, 54).

Hören wir auf das Wort Gottes und hängen wir unser Herz nicht an Geld und an die Güter dieser Welt, indem wir uns Schätze sammeln auf Erden, sondern sammeln wir uns Schätze im Himmel durch alles Gute, das wir unseren Nächsten tun. Der Erlöser sagt uns: „Geben ist seliger als nehmen“ (Apostelgeschichte 20, 35) Es gibt keine größere Freude als jene, den Nächsten in Not und Leid zu helfen! In diesem Sinne lege ich Ihnen nahe, auf die Bitten der hochwürdigen Priester zu antworten, die verschiedene Sozialprogramme zur Hilfe für arme und bedürftige Menschen in Rumänien durchführen. Und vergessen Sie auch nicht das Projekt der Metropolie „Stipendien für arme Kinder in der Moldau“, mit dem wir monatlich 600 Kinder aus extrem armen Familien fördern.

 

Geliebte Gläubige,

es ist schon zur Tradition geworden, dass während der großen Fastenzeiten des Jahres in jeder Pfarrei täglich der gesamte Psalter gebetet wird, aufgeteilt nach Abschnitten auf 20 Gläubige. In größeren Pfarreien können sogar zwei oder drei Psalter pro Tag gelesen werden. Die Psalmen sind die stärksten Gebete gegen die bösen Geister, die uns überall heimsuchen. Daher empfiehlt uns der heilige Basilius der Große täglich einige Psalmen zu lesen.

Der heutige Sonntag heißt „Sonntag der Versöhnung”, denn nach der Ordnung der Kirche erbitten die Gläubigen an diesem Tag die Vergebung voneinander, damit ihr Fasten von Gott gut angenommen wird.     

Ich bin der erste, der um Vergebung bittet für alles, worin ich willentlich oder unbewusst, wissentlich oder unwissentlich gefehlt habe. Auch ich meinerseits vergebe euch allen von Herzen und bete zu unserem guten und barmherzigen Gott, dass Er Euch die Vergebung Eurer Sünden, Gesundheit und alles für dieses Leben und für die Erlösung der Seele Notwendige schenken möge.

Ich wünsche Euch allen eine gesegnete Fastenzeit mit Freude und Frieden in der Seele!

Metropolit Serafim

(Übersetzung: Pfarrer Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)