Ruf zum Fasten und zum Gebet

Pastorale zum Beginn der Großen Fastenzeit 2016

Wohlehrwürdige Väter und geliebte Gläubige,

die Rumänische Orthodoxe Metropolie von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa besteht aus zwei Bistümern: den Erzbistum von Deutschland, Österreich und Luxemburg mit Sitz in Nürnberg (Deutschland) und dem Rumänischen Orthodoxen Bistum von Nordeuropa mit Sitz in Stockholm (Schweden).

Die Metropolitansynode bestehend aus Vater Metropolit Serafim, Vater Bischof Macarie und Vater Weihbischof Sofian Braşoveanul richten diese Pastorale zum Beginn der Großen Fastenzeit an Sie mit einem bestimmten Ziel: um uns mit allen Christen im Fasten und im Gebet zu solidarisieren, die ihres Glaubens wegen leiden. Wie allgemein bekannt ist, sind die Christen derzeit die am meisten aus religiösen Gründen verfolgte Gruppe weltweit.

Eine aktuelle Studie zeigt auf, dass nur im vergangenen Jahr 2015 aus religiösen Gründen mehr als 7.000 Christen ermordet wurden, und das ohne die Fälle in Nordkorea, Syrien und im Irak, wo es bisher keine klaren Daten über die ermorderten oder verfolgten Christen gibt. Dazu zählen auch zwei Metropoliten: Paulus, der Bruder des gegenwärtigen Patriarchen von Antiochia, und Gregorios von der Syrischen Kirche, die vor drei Jahren verschleppt wurden. Nach der gleichen Studie wurden im Jahr 2015 24.000 Gotteshäuser beschädigt oder zerstört, doppelt so viele als 2014.

Doch neben der äußeren Verfolgung des Christentums gibt es auch eine innere „Verfolgung“, die noch perfider und gefährlicher ist, weil sie den Glauben in seinem innersten Wesen angreift und beschädigt. Hier ist die Rede vom „Dämon der Säkularisierung“, der uns dazu bringt, nur noch die materiellen Dinge und die Vergnügungen des Lebens zu suchen und Gott und das Leben nach dem Tod vergessen, sowie vom „Dämon der Freiheit“, der uns von den als „Last“ empfundenen Gesetzen der Moral des Evangeliums und unseres menschlichen Wesens zu befreien verspricht, damit wir in allem völlig frei seien, was jedoch in Wirklichkeit bedeutet, dass wir gänzlich Knechte der Sünde sind. Wir stellen mit Schmerz fest, dass für den modernen Menschen die Sünde nicht existiert. Die Menschen von heute verstehen und erkennen nicht mehr die Wirklichkeit der Unfreiheit, in die sie die Sünde treibt, was sie dazu bringt, die Versklavung durch die Sünde als Freiheit misszuverstehen. „Wahrlich ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht“ (Johannes 8,34). 

Auch wenn die Gesellschaft, in der wir leben, christliche Fundamente hat, wird sie doch nicht mehr nach den Prinzipien des Evangeliums gestaltet, die das Leben fördern und es vor Erniedrigung bewahren, sondern die Gesellschaft beschließt unmoralische und gegen die Natur gerichtete Gesetze, die sie mit der Zeit ruinieren werden. Die Knechtschaft oder Versklavung unter die Sünde kann dem Menschen nicht das Glück schenken, das er sich wünscht. Jedwede Sünde ist ganz im Gegenteil ein Drama, das mit allen möglichen Krankheiten und Leid einhergeht, seelischem wie körperlichem Leid, sowie mit Misserfolgen im Leben, die den Menschen unglücklich machen. Unsere einzige Rettung ist Christus, Der auf uns wartet wie der Vater auf den verlorenen Sohn, dass wir in Reue zu Ihm umkehren, dass wir also unsere Sünden erkennen und sie im Beichtstuhl bekennen, und unser Leben nach den Geboten Gottes ausrichten.

Die Dämonen, die den Menschen zur Sünde treiben, um ihn danach zu versklaven, lassen sich nur durch das Gebet und das Fasten vertreiben (Matthäus 17,21). Daher rufen wir Euch alle als unsere geistlichen Kinder dazu auf, dass ihr besonders in diesen Wochen  der Großen Fastenzeit das Gebet vertieft und fastet. Wir bringen unsere Hoffnung und unseren Wunsch vor den Erlöser Jesus Christus, dass Er diejenigen behüten möge, die an Ihn glauben, dass Er ihnen Vergebung schenken möge, und dass Er alle Feinde der Christen von ihrer Boshaftigkeit bekehren möge, gleichzeitig dass Er uns, die Gläubigen, von der Knechtschaft der Sünde befreien, uns vor allem Bösen bewahren und alle guten Wünsche erfüllen möge, uns zur Erlösung und zum ewigen Leben. Besonders in dieser Großen Fastenzeit sollen wir uns bemühen, täglich in Ergänzung zu den üblichen Morgen- und Abendgebeten das Gebet „Paraclisul Maici Domnului“ zu verrichten und den Psalm zu beten (wer kann einen Abschnitt pro Tag). Auch dürfen wir nicht vergessen, das Wort Gottes im Neuen Testament zu lesen, das uns Leben schenkt. Und wir sollen außerdem täglich so viele Metanien wie möglich verrichten, die sowohl der Seele wie dem Leib dienen.

Wer an das Fasten gewöhnt ist und sich imstande fühlt, dem empfehlen wir um unserer Sünden willen am Mittwoch und am Freitag bis zum Abend oder wenigstens bis drei Uhr nachmittags – der Todesstunde des Erlösers am Kreuz – nichts zu sich zu nehmen, auch Wasser nicht. Nach der alten Tradition der Kirche bedeutet das Fasten, bis zum Abends nichts zu sich zu nehmen. Ein strengeres Fasten ist ein Segen für unser Leben, sowohl für die Seele, als auch für den Leib. Wer nach den Regeln der Kirche fastet, wird viel gesünder sein, als wer nicht fastet. Alle Väter sagen, dass das Fasten von Gott angeordnet ist nicht um den Leib zu töten, sondern um die Leidenschaften zu töten, die den Leib töten.

Allerdings werden das Gebet und das Fasten nur dann von Gott angenommen, wenn wir in die Kirche eingegliedert sind und man aktiv am Gemeindeleben teilnimmt, wenn wir gemeinsam die Göttliche Liturgie mitfeiern und so oft als möglich Leib und Blut Christi in der Heiligen Eucharistie empfangen. Das Gebet in der Kirche und das persönliche Gebet, das zu Hause, unterwegs, auf der Arbeit an allen Orten und zu jeder Zeit verrichtet wird, wie auch das Fasten mittwochs und freitags sowie in den vier großen Fastenzeiten machen uns zu besseren und gütigen Menschen. Das Gebet und das Fasten vermehren in unserem Herzen die Liebe zu Gott und zu den Nächsten, mit denen wir in Frieden und versöhnt leben sollen und denen wir in Not helfen sollen. Wir können nur dann wirklich fasten und beten, wenn wir uns bemühen, unsere Nächsten zu lieben, beginnend mit den Mitgliedern unserer Familie.

Und weil wir heute den Sonntag der Vergebung feiern (rum. Duminica iertării) sollen wir alle um Vergebung bitten, die wir in Wort und Tat betrübt haben, damit unser Gebet und unser Fasten von Gott gut angenommen werden möge. 

Wir bitten als ersten Euch zur Vergebung, Priester und Gläubigen, die uns Gott zur Seelsorge anvertraut hat.

Gott der Grundgütige möge unser Gebet und unser Fasten annehmen, Er möge die Feinde der Christen überall auf den rechten Weg bringen, damit wir alle in Frieden leben und Gutes tun!

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

 

† SERAFIM

Rumänischer orthodoxer Erzbischof von Deutschland, Österreich und Luxemburg und Metropolit für Deutschland, Zentral- und Nordeuropa 

† MACARIE

Rumänischer orthodoxer Bischof für Nordeuropa

† SOFIAN

Weihbischof des Rumänischen Orthodoxen Erzbistums von Deutschland, Österreich und Luxemburg

  

(Übersetzung: Pfarrer Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)