Fastenbrief der orthodoxen Bischöfe Deutschlands 2018
„Damals verband uns mit Gott das Gesetz, jetzt aber Glaube und Gnade und was mit diesen beiden zusammenhängt; damals bestand die Gemeinschaft mit Gott in einem Knechtsverhältnis, jetzt aber in Sohnschaft und Freundschaft.“ (Aus: Nikolaos Kabasilas: Das Buch vom Leben in Christo)
Liebe Brüder und Schwestern in Christo,
auch dieses Jahr ist für uns orthodoxe Christen wieder die heilsame Zeit des Fastenfrühlings angebrochen. Lasst uns fasten als Zeichen unserer Selbstdisziplin, der Geduld und der Standhaftigkeit!
Vorbild in all jenen heilkräftigen vorösterlichen Gottesdiensten der Großen Fastenzeit ist unser Herr und Heiland Jesus Christus Selbst. Christus Selber ordnete Seinen eigenen menschlich en Willen Seinem eigenen göttlichen Willen unter. Er ist um unseretwillen Mensch geworden, für uns hat Er gelitten und ist für uns gestorben. Lasst uns staunen über Gottes Güte: Wir entgehen der Krankheit, weil der Heiland für uns die Arznei trinkt! Er nimmt die Schmerzen auf Sich und wir werden von der Strafe befreit! Durch Seine Passion und Auferstehung hat Er dem tadelnswerten Menschen den Weg zur Gemeinschaft mit dem Schöpfer wiederhergestellt.
In Vorbereitung auf das Fest der Feste, auf die herrliche Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi, steht beim Fasten eigentlich nicht der Verzicht im Vordergrund, sondern der geistliche Gewinn, den wir durch diese schöne Pilgerreise durch die Große Fastenzeit erlangen. Ja, sie lenkt unseren Blick immer von neuem auf die liebende Betrachtung des Heilswerkes, wie es sich im Leben Christi darstellt und an jedem einzelnen Christen nachvollzogen wird. Die Fastenzeit mit ihren charakteristischen Gottesdiensten ist eine geistliche Pilgerreise, auf der wir uns als von Gott nach Seinem Bild und Gleichnis erschaffene Wesen wiederentdecken.
Auf unserem Weg der vierzig Tage langen Pilgerreise zur Großen Woche hin, heben wir beim leiblichen Fasten die wohltuenden Tugenden der Enthaltsamkeit und des Verzichts hervor.
Fasten bedeutet Armwerden und Reichwerden. Fasten lässt unsere Seele demütig werden und deutet auf des Rätsels Lösung, was denn genau unsere Freiheit in Christo bedroht, warum wir immer wieder des friedlichen Geistes verlustig werden und was uns statt zu Gottes Knechten und Mägden zu Sklaven macht. Zu Beginn der Großen und Heiligen Fastenzeit wollen wir gegenseitig um Vergebung bitten! Für unsere geistliche Reise zur Großen Woche und zum Osterfest wollen wir all unsere negativen Eigenschaften durch leuchtende Tugenden ersetzen
und somit Licht in diese Welt tragen. Lasst uns den Zorn dämpfen und das Nachtragen des Bösen austreiben! Die Fastenzeit ist Zeit der Veränderung. Was ursprünglich im Keime vorhanden ist, das kann sich in unserem weiteren Leben zur Vollkommenheit und Fülle entfalten. In jedem Jahr erhalten wir von neuem die Chance und Gelegenheit, diese Pilgerreise neuzugestalten.
Die Große Fastenzeit ist zugleich auch eine Zeit unserer Werke der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit, in der wir nämlich die Nöte unserer Brüder und Schwestern um uns herum sehen mögen: die Flüchtlinge, die Obdachlosen, die Hungernden und die Opfer von Gewalt und Krieg!
Dabei sollen unsere Werke stets begleitet sein vom Gebet zu unserem Wohltäter und dem alles verzeihenden Gott.
Uns Menschen ist die Liebe zu Gott uranfänglich eingeflößt und zugrunde gelegt.
„Nicht wir selber sind es, die wir uns zu Gott hin bewegen und zu Ihm aufsteigen, sondern Gott Selbst ist zu uns herabgestiegen: Nicht wir haben gesucht, sondern wir wurden gesucht! Gott Selbst bückte sich zur Erde nieder und fand Sein Ebenbild“, so der Heilige Nikolaos Kabasilas und fährt fort: „Findet sich etwas wirklich Gutes in uns, dann hat Gott es in uns hineingelegt, ohne unser Bemühen“. Möge geradezu in der Fastenzeit diese Kraft der Liebe durch Buße und Verzicht Gott und Seine unendliche Güte bewegen, Seine Liebe uns Menschen gegenüber zu steigern. Unser gegenwärtiges Leben ist die Werkstatt für dies alles. Wenn auch der Mensch unter der Last seiner Sorgen, durch Krankheit und Leid, durch Einsamkeit oder Vergessenheit, die Orientierung verloren hat, vom rechten Weg abgekommen ist oder sogar den Mut
verloren hat, lehren uns die Gottesdienste der Fastenzeit, dass als Vorbereitung auf die Heilige und Große Karwoche nicht nur unsere Anstrengung und Leidenschaft gefragt sind, wenn wir etwas erreichen wollen, sondern auch unser Glaube.
Zu Beginn unserer diesjährigen Großen und Heiligen Fastenzeit grüßen wir, Eure orthodoxen Bischöfe Deutschlands, alle orthodoxen Geistlichen und das gläubige orthodoxe Volk. Als Eure geistlichen Väter hier in Deutschland hoffen wir und beten wir darum, dass es Euch gelinge, durch diese heilsame Pilgerreise mit Begeisterung, Beharrlichkeit und gutem Erfolg ans Ziel zu gelangen. Wir wünschen Euch allen eine gute, von geistlicher Freude und Erkenntnis erfüllte Fastenzeit und rufen den Segen des Herrn auf Euch herab.
Berlin, den 3. März 2018
† Metropolit Augoustinos von Deutschland, Exarch von Zentraleuropa
Vorsitzender
und die Mitglieder der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland