Fastenbrief der orthodoxen Bischöfe Deutschlands 2025

„Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen und mit Klagen!“ (Joel 2,12)

Liebe orthodoxe Christen in Deutschland,

die heilige Fastenzeit ist eine besondere Zeit der geistlichen Vorbereitung auf das große Fest der Auferstehung Christi. Sie ist eine Zeit der Umkehr, des Gebets und der Barmherzigkeit, eine Zeit, in der wir uns selbst prüfen und unser Leben auf Gott hin ausrichten.

In einer Welt, die von Unruhe und Unsicherheit geprägt ist, ruft uns die Kirche auf, uns durch Fasten, Buße und Werke der Nächstenliebe dem Herrn zuzuwenden.

Das Fasten – Ein Weg der inneren Reinigung

Das Fasten ist tief in der Tradition unserer orthodoxen Kirche verwurzelt. Es ist mehr als nur der Verzicht auf Speisen – es ist ein geistlicher Kampf gegen die Leidenschaften, die uns von Gott entfernen.

Indem wir uns von übermäßiger Sorge um materielle Dinge lösen, lernen wir, auf das Wesentliche zu schauen: die Gegenwart Gottes in unserem Leben. Der heilige Johannes Chrysostomos mahnt: „Fastet nicht nur mit dem Magen, sondern auch mit den Augen, den Ohren, den Füßen, den Händen und allen Gliedern des Körpers.“

Wir sind eingeladen, in dieser Zeit innezuhalten, unser Leben zu betrachten und unsere Beziehung zu Gott zu vertiefen. Fasten bedeutet auch, unser Herz zu reinigen, uns von schlechten Gewohnheiten zu befreien und mit Liebe und Sanftmut unseren Mitmenschen zu begegnen.

Buße und Rückkehr zu Gott

Die Fastenzeit ist eine Zeit der Umkehr. Sie erinnert uns daran, dass wir immer wieder vor Gott treten und um Vergebung bitten müssen. Der Mensch ist schwach und fällt oft, aber Gottes Barmherzigkeit ist grenzenlos.

Durch das Sakrament der Beichte erhalten wir die Möglichkeit, unser Herz zu erneuern und die Gnade Gottes wieder in uns wirken zu lassen. Die wahre Buße bedeutet jedoch nicht nur das Bekenntnis der Sünden, sondern auch eine ernsthafte Anstrengung, unser Leben zu ändern.

Sie bedeutet die Rückkehr zum Vaterhaus, wie es uns das Gleichnis vom verlorenen Sohn lehrt. Der heilige Siluan vom Athos erinnert uns: „Wer seine Sünden erkennt und sich demütigt, dem gibt Gott den Frieden.“

Taten der Barmherzigkeit

Die Fastenzeit ist auch eine Zeit der Liebe und des Mitgefühls. Wahres Fasten ist untrennbar mit Werken der Barmherzigkeit verbunden. Der Prophet Jesaja lehrt uns: „Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Geknechteten freizulassen und jedes Joch zu zerbrechen? Besteht es nicht darin, dein Brot mit den Hungrigen zu teilen und arme Heimatlose ins Haus aufzunehmen?“ (Jes 58,6-7).

In einer Welt, in der viele an Armut, Einsamkeit und Ungerechtigkeit leiden, sind wir als Christen aufgerufen, unsere Herzen und Hände zu öffnen. Lassen wir unsere Fastenzeit nicht zu einem bloßen Ritual werden, sondern zu einem Zeichen der Liebe zu unseren Mitmenschen.

Schöpfungsverantwortung und Umwelt

In unserer Zeit sehen wir, wie die Schöpfung Gottes unter der Zerstörung durch den Menschen leidet. Die Umweltkrise ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine geistliche Herausforderung.

Die Kirche lehrt uns, dass der Mensch als Hüter der Schöpfung Verantwortung trägt. Das Fasten lehrt uns Genügsamkeit und Dankbarkeit für das, was uns Gott gegeben hat. Ein einfaches Leben, das Maßhalten in unserem Konsum und die Sorge um die Natur sind konkrete Wege, unser Fasten auch im Umgang mit der Umwelt auszudrücken.

Fasten in einer Zeit politischer Unruhen

Unsere Welt ist von Kriegen, Krisen und Ungerechtigkeiten gezeichnet. Viele Menschen erleben Verfolgung, Gewalt und Angst. In dieser Zeit sind wir als Christen aufgerufen, nicht nur für den Frieden zu beten, sondern auch aktiv für ihn einzutreten.

Die Fastenzeit erinnert uns daran, dass echter Friede nicht nur das Schweigen der Waffen bedeutet, sondern eine Veränderung des Herzens. Christus selbst hat uns den Weg gewiesen: „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ (Mt 5,9). Möge unser Fasten uns dazu anregen, Brücken zu bauen, Versöhnung zu suchen und uns für Gerechtigkeit einzusetzen.

Solidarität mit den Schwachen und Verfolgten

Die Kirche ruft uns auf, uns besonders derer anzunehmen, die in Not sind: der Kranken, der Flüchtlinge, der Verfolgten. Viele unserer Brüder und Schwestern leiden unter Diskriminierung und Verfolgung wegen ihres Glaubens.

In der Fastenzeit sind wir aufgerufen, für sie zu beten, sie zu unterstützen und ihnen eine Stimme zu geben. Christus selbst hat gesagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40). Unser Fasten darf nicht egozentrisch sein, sondern muss zur Solidarität mit den Leidenden führen.

Gebet und Orientierung auf den auferstandenen Christus

Das Gebet ist die Seele des Fastens. Ohne Gebet bleibt das Fasten leer und nutzlos. In dieser heiligen Zeit sind wir eingeladen, unser Gebetsleben zu vertiefen, an den Gottesdiensten teilzunehmen und in der Stille die Stimme Gottes zu hören.

Die Kirche gibt uns in der Fastenzeit wunderschöne Gebete, wie das Gebet des heiligen Ephraim des Syrers, das uns Demut, Reinheit und Liebe lehrt. Wenn wir beten, öffnen wir unser Herz für Gott und empfangen die Kraft, die Fastenzeit mit Freude und Hoffnung zu leben.

Das Ziel unseres Fastens ist nicht die Entbehrung, sondern die Begegnung mit dem auferstandenen Christus. Ostern, das Fest des Lebens, steht am Ende dieser heiligen Zeit.

Lasst uns mit Freude und Eifer diesen geistlichen Weg gehen, damit wir mit reinem Herzen rufen können:

„Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Bonn, den 3.3.2025

† Metropolit Augoustinos von Deutschland, Exarch von Zentraleuropa
Vorsitzender

und die übrigen Mitglieder
der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland