Pastoralbrief des Metropoliten Serafim zum Weihnachten 2024
„Lasst uns die Heiligen ehren!“
„Gedenkt eurer großen Lehrer (…); ihr Ende schaut an und folgt dem Beispiel ihres Glaubens.“ (Hebräer 13,7)
Hochehrwürdige Väter und geliebte Gläubige,
wir loben Gott den Grundgütigen, dass wir in Frieden zum Hochfest der Geburt unseres Herrn Jesus Christus gelangt sind. Die Hymnen der Kirche und unsere Weihnachtslieder – die Colinde – versetzen uns in die geheimnisvolle Atmosphäre dieses Feiertags, beginnend mit dem Hochfest des Einzugs der Gottesmutter in den Tempel am 21. November, seit wir im Gottesdienst der Utrenia (Ortros; J.H.) die sogenannten „Katavasien“ der Geburt des Herrn hören: „Christus wird geboren, gebt Ihm die Ehre; Christus aus den Himmeln, heißt Ihn willkommen; Christus auf Erden, erhebt Euch, der ganze Erdkreis singe dem Herrn und alle Völker lobet und preiset Ihn, denn Er hat sich verherrlicht!“
Heute haben sich alle Prophezeiungen des Alten Testaments über das Kommen des Messias in die Welt erfüllt, des Christus, des Gottessohnes, um das Menschengeschlecht aus der Knechtschaft der Sünde und des Todes zu erlösen. In Seiner unermesslichen Liebe zu uns Menschen wird der Sohn Gottes selbst Mensch und gibt uns ein Beispiel für das Leben im Gehorsam gegenüber Gott dem Vater, gegenüber Seiner Mutter, der Jungfrau Maria, und dem Ziehvater Josef; dabei respektierte er in allem die Traditionen Seines Volkes, besuchte die Synagoge von Nazareth und den Tempel von Jerusalem. Nach Seiner Taufe im Jordan lehrte er dem Volk den Willen Gottes und vollbrachte zahllose Wunder. Die Güte des Erlösers zog indes den Hass und Zorn der Schriftgelehrten, der Pharisäer und Oberen des Volkes auf sich, die Ihn zum Tode und zur Kreuzigung auf Golgatha verurteilt haben. Doch am dritten Tage ist Er auferstanden; durch Seine Auferstehung hat er die Macht des Todes zerstört und allen, die an Ihn glauben und Seine Gebote erfüllen, den Weg in den Himmel bereitet.
Christ zu sein bedeutet, an Jesus Christus zu glauben, den Erlöser der Welt, und dem Beispiel Seines Lebens an Gehorsam, an Sanftmut, an Demut, an Güte, an Geduld, an Leiden und an Vergebung zu folgen. Niemand kann zum inneren Seelenfrieden gelangen, außer durch das Bemühen darum, dem Beispiel des Lebens unseres Erlösers Jesus Christus zu folgen!
Geliebte Gläubige,
im Jahr 2025 kann die Rumänische Orthodoxe Kirche das 100-jährige Jubiläum seit ihrer institutionellen Erhebung zum Patriarchat feiern, der höchsten Form der Organisation einer orthodoxen Ortskirche. In diesen einhundert Jahren hat Gott der Herr unsere Kirche mit vielen Gaben gesegnet: der Gründung neuer Eparchien, Klöster und Pfarrgemeinden, dem Bau hunderter von Pfarr- und Klosterkirchen, der Gründung theologischer Ausbildungsstätten und Sozialeinrichtungen. Doch Gott ließ über unser Volk und Seine Kirche auch Zeiten großer Prüfungen kommen wie etwa die kommunistische Diktatur, später die Auswanderung von Millionen von Rumänen, die die Zukunft unseres Landes und unseres Volkes in Gefahr bringt. Nur der Glaube an Gott hat uns von der atheistischen Diktatur erlöst; genauso hoffen wir, dass nur der Glaube an Gott und die Liebe zum eigenen Volk viele Rumänen dazu bringen wird, nach Hause zurückzukehren.
Um Gott für Seine Segnungen und Wohltaten zu danken, die Er über unsere Kirche ausgegossen hat, hat die Heilige Synode detailliert das Leben etlicher Diener des Altars und Gläubigen untersucht, die unseren Erlöser Jesus Christus in der kommunistischen Zeit bezeugt haben und die Heiligkeit ihres Lebens anerkannt. So hat die Heilige Synode 19 von ihnen zur Ehre der Altäre erhoben.
Dank göttlicher Gnade und Fügung durfte ich acht dieser 19 Heiligen persönlich kennenlernen. Dies sind: Vater Professor Dumitru Stăniloae aus Bukarest, die Väter Paisie und Cleopa aus dem Kloster Sihăstria, Vater Arsenie aus Prislop, Vater Sofian vom Kloster Antim aus Bukarest, Vater Serafim vom Kloster Brâncoveanu – Sâmbăta de Sus, Vater Dometie vom Kloster Râmeț, Vater Petroniu vom Kloster Zum heiligen Johannes dem Täufer (Prodromul) auf dem Berg Athos und Vater Dionisie vom Skit Zum heiligen Gheorghe Colciu vom Berg Athos. Erlauben Sie mir einige Worte über diese großen Heiligen, Geistlichen und Glaubenszeugen der Orthodoxie zu sagen.
- Vater Dumitru Stăniloae war der größte orthodoxe Theologe des 20. Jahrhunderts. So qualifizierte ihn der französische Theologe Olivier Clément. Durch seine Hauptwerke „Orthodoxe Dogmatik“ und „Orthodoxe Moraltheologie“ hat Vater Dumitru die orthodoxe Theologie auf der Grundlage ihrer patristischen Quellen erneuert; durch seine Übersetzung und Veröffentlichung der Rumänischen „Philokalia“ in zwölf Bänden bot er den Priestern und Gläubigen die Möglichkeit, die grundlegenden Lehren des geistlichen Lebens kennenzulernen, was eine große Hilfe ist auf dem Weg zu unserer Erlösung.
- Die Väter Paisie und Cleopa von Sihăstria waren große geistliche Ratgeber für die Gläubigen. Der Erstgenannte verausgabte sich sein ganzes Leben lang bei der Abnahme der Beichte von tausenden von Gläubigen, die zu ihm pilgerten um zu beten und die Vergebung ihrer Sünden zugesprochen zu bekommen; der Zweitgenannte verkündete aufopferungsvoll das Wort der Lehre. Von Vater Cleopa haben wir 12 Bände mit dem Titel „Ne vorbește Părintele Cleopa” (dt. Vater Cleopa spricht zu uns) überliefert.
- Vater Arsenie von Prislop wurde von großen Menschenmengen aufgesucht schon als er Mönch im Kloster Sâmbăta war, wo er eine große Erweckungsbewegung zur Erneuerung des geistlichen Lebens begründet hat, aber auch in Prislop, später dann in der Kirche von Drăgănescu in der Nähe von Bukarest. Nach seiner Freilassung aus der politischen Haft wurde ihm auf Lebenszeit die Feier von Gottesdiensten verboten. Doch er blieb in allem der Hierarchie der Kirche gehorsam, er urteilte über niemand und verurteilte niemand. Von Gott dem Herrn mit der Gabe ausgestattet, tief in die menschliche Seele einzudringen, verurteilte Vater Arsenie immer wieder die Sünde, besonders Ehebruch, Abtreibung und Empfängnisverhütung durch welche Mittel auch immer. Wobei er stets betonte, dass die meisten Dramen in Familien sich diesen Sünden verdanken. Der Niedergang einer Gesellschaft beginnt mit dem Niedergang der Familie. Vater Arsenie liebte sein Volk und sah auch das Drama der Auswanderung vieler Rumänen voraus.
- Vater Sofian vom Kloster Antim, genannt als „Beichtvater der Bukarester“, war einer der Begründer der Gebetsbewegung „Rugul Aprins“ (dt. Der brennende Dornbusch) im Umfeld dieses Klosters; diese Bewegung zog die Bukarester Intellektuellen an, die die Praxis des Hesychasmus und des Herzensgebetes kennenlernen wollten, also die Tradition des unaufhörlichen Gebets, das zum Seelenfrieden führt. Vater Sofian hat sein Leben in Güte und Sanftmut geführt. Er nahm täglich stundenlang die Beichte ab und tröstete und ermutigte dabei die Gläubigen. Und er war auch ein talentierter Kirchenmaler.
- Vater Serafim vom Kloster Sâmbăta de Sus war wahrhaftig ein „Serafim von Sarov der Rumänen“: sanftmütig, demütig und gehorsam. Er ertrug in seinem Leben viele Prüfungen, vor allem während seiner Zeit als Abt. Daher gab ihm die Heilige Synode den Ehrennamen „Serafim der Geduldige“. In seinen Predigten ermahnte er die Gläubigen immer wieder zum Gebet und erinnerte dabei an einen Rat, den er selbst von einem rumänischen Mönch auf dem Berg Athos erhalten hatte: „Lass nie vom Gebet ab“ (also von der täglichen Gebetsordnung der Pravila), denn sonst bist du des Teufels“. Es ist wahrhaftig so: wer nicht täglich betet, gerät leicht in die Fänge des Teufels.
- Vater Dometie der Wohltätige von Râmeț war wirklich ein Mönch, der „sich selbst verleugnet hat“ nach dem Wort des Erlösers: „Wer Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir.“ (Matthäus 16,24) Er gab den Armen alles, was er hatte, sogar das Gewand, das er trug. Viele Jahre lang feierte er Gottesdienste in vielen Pfarrgemeinden. Er wanderte zu Fuß durch das Apuseni-Gebirge, prüfte die Gläubigen und half ihnen mit allem, was er hatte. Bei seiner Beerdigung 1975 hatte er kein unverschlissenes Hemd oder Gewand, mit dem er angekleidet werden konnte.
- Vater Petroniu war ein höchst gebildeter Mönch mit theologischen und philosophischen Studien, trotz alledem war er aber höchst demütig. Als er 1978 vom Kloster Sihăstria auf den Berg Athos entsandt wurde, befand sich der rumänische Skit Prodromu in einer besonders schwierigen Situation. Es lebten nur noch einige hochbetagte Mönche dort, die Kirche und die Gebäuden waren fast Ruinen. Sein Wirken begann mit der Erneuerung der Mönchsgemeinschaft mit jungen Mönchen, die aus Rumänien kamen. Dann sorgte er für die Restaurierung der Kirchen und Mönchszellen. Diese Arbeit dauerte Jahrzehnte. Er fehlte bei keinem Gottesdienst in der Kirche, weder am Tag noch in der Nacht. Nachdem ihn ein profundes inneres Seelenleben kennzeichnete, redete er nur wenig und wurde zu einem Beispiel für das Schweigen des Mönchs. In seinen letzten Lebensjahren litt er unter schweren Dekubitus-Nekrosen an den Beinen, doch verbarg er sein Leiden, ohne jemals zu hadern oder zu klagen. Er war ein Vorbild an Geduld im Leiden und im Ertragen der Prüfungen des Lebens. Wegen seiner charismatischen Gaben schätzten ihn auch die griechischen Mönche auf dem Heiligen Berg als einen großen Geistlichen.
- Vater Dionisie lebte 78 Jahre auf dem Berg Athos, davon 67 Jahre in der rumänischen Mönchssiedlung „Zum hl. Georg“ von Colciu (Kaletzi); er erlangte große Weisheit und Heiligkeit. Sehr viele Mönche vom Athos aus allen möglichen Nationen suchten Vater Dionisie auf, um von ihm geistliche Unterweisung zu bekommen und bei ihm zu beichten. Hier sei nur ein weises Wort von Vater Dionisie zitiert: „Bete darum, dass Gott dir Geduld und ein demütiges Gemüt schenke, damit du zum Seelenfrieden findest. Seelenfrieden zu haben ist das Wichtigste in jeder Situation, was immer jemand anderes dir auch sagt.“
Geliebte Gläubige,
lasst uns Gott den Herrn dafür lobpreisen, dass er aus unserem Volk so viele Heilige berufen hat, die für uns beten und vor Gott für die Vergebung unserer Sünden Fürbitte tun. Und wir sollen uns darum bemühen, so gut wir können dem Beispiel ihres Lebens im Glauben, in Güte, in Geduld und Vergebung zu folgen. Die Heiligkeit ist ausschließlich eine Gabe Gottes, doch die Taufgnade, die wir alle bei der Heiligen Taufe empfangen haben, verlangt freilich ein Zusammenwirken von unserer Seite mit dieser Gnade unser ganzes Leben lang „im Kampf bis aufs Blut“ (Hebräer 12,4) gegen die Sünde und alles Böse, mit dem der Teufel uns versucht. Dieser Kampf bis aufs Blut besteht aus Beharrlichkeit im Glauben durch die Erfüllung der Gebote Gottes, Gebet und Fasten, ein in jeder Hinsicht gemäßigtes Leben und ein Leben in ständiger Verbindung mit der Kirche. Durch die Heiligen Mysterien (Sakramente) und Gebete der Kirche wird in uns die Gnade und die Kraft Gottes erneuert und erweitert.
Ich lege Euch all diese Worte der Lehre ans Herz und schließe mit dem biblischen Zitat, mit dem ich begonnen habe: „Gedenkt eurer großen Lehrer (…); ihr Ende schaut an und folgt dem Beispiel ihres Glaubens.“ (Hebräer 13,7).
Ich wünsche Ihnen allen – den Gläubigen aller Generationen: Kindern, jungen und älteren Menschen –, dass Sie die Heiligen Feiertage der Geburt des Herrn, Neujahr und Epiphanias in Frieden und Gesundheit feiern und dabei neuen Antrieb zu allem Guten erfahren können.
Gesegnete Feiertage und
Auf viele Jahre!
† Metropolit Serafim
Deutschsprachige Literaturempfehlungen zu einigen der genannten Väter, die 2025 kanonisiert werden:
- Jürgen Henkel: Dumitru Stăniloae. Leben – Werk – Theologie, Herder Verlag, Freiburg i. Br., 2017;
- Jürgen Henkel/Nikolaus Wyrwoll (Hg.): Askese versus Konsumgesellschaft. Aktualität und Spiritualität von Mönchtum und Ordensleben im 21. Jahrhundert, Schiller Verlag, Hermannstadt/Sibiu-Bonn, 2. Aufl. 2023 (Deutsch-Rumänische Theologische Bibliothek/DRThB 4)
[Übersetzung aus dem Rumänischen: Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth]