Ostern 2005

„Freuet Euch! Fürchtet Euch nicht!“ (Matthäus 28,9-10)

Meine geliebten geistlichen Kinder,

Christus ist auferstanden!

Die ersten Worte unseres von den Toten auferweckten Erlösers Jesus Christus gegenüber den balsamtragenden Frauen, die zu seinem Grab gekommen waren, lauteten: „Freuet Euch!“ und „Fürchtet Euch nicht!“ Diese Worte voller göttlicher Kraft „Freuet Euch!“ und „Fürchtet Euch nicht!“ richtet der Herr und Erlöser auch an uns, die wir in dieser heiligen Nacht in der Kirche zusammenkommen, um Ihm zu begegnen und Seine Auferstehung zu feiern. Bei der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn haben die balsamtragenden Frauen „Seine Füße umfaßt und sind vor Ihm niedergefallen“ (Matthäus-Evangelium 28,9), danach sind sie weggegangen, um den Aposteln von der Auferstehung zu berichten. Das gilt auch für uns, wenn wir zu Ostern in die Kirche kommen: wir küssen die Ikone der Auferstehung und knien nieder vor Dem, der den Tod überwunden hat, wenn wir mit Ehrfurcht am Gottesdienst teilnehmen. Wenn wir danach nach Hause gehen mit vor Freude erfüllten Herzen, dann erzählen auch wir von der Wahrheit der Auferstehung, die die Kirche begründet hat, und grüßen unsere Nächsten bis zum Fest zur Himmelfahrt Christi mit dem Ostergruß: „Christus ist auferstanden!“ So werden auch wir zu Verkündern der Auferstehung, zu Aposteln und Missionaren Christi, unseres Herrn.

Die Freude und der Glaubensmut, die wir an diesen gesegneten Feiertagen der Auferstehung des Herrn geschenkt bekommen, und die an jedem Sonntag durch die Teilnahme an der Göttlichen Liturgie erneuer werden, weil die Liturgie gleichsam eine Aktualisierung der Auferstehung bedeutet, diese Freude und dieser Glaubensmut also sind Früchte der Auferstehung, wie auch des Leidens und Sterbens unseres Herrn, wodurch er die Macht des Bösen zerstört hat. Wir singen unzählige Male in diesen heiligen Tagen der Osterzeit bis Christi Himmelfahrt den Hymnus: „Christus ist von den Toten auferstanden und hat den Tod durch den Tod besiegt. Er hat denen in den Gräbern das Leben geschenkt.“ Die Auferstehung bildet zusammen mit der Passion und dem Tod des Herrn eine unauflösliche Einheit. Wenn die Auferstehung auch erst auf die Passion und den Tod Jesu folgt, so ist sie doch in der Passion und dem Tod des Herrn schon gegenwärtig. Gleichzeitig verschwindet die Passion mit der Auferstehung nicht völlig. Die Wundmale der Nägel bleiben ewig am auferstandenen Leib des Herrn, und das Kreuz bleibt gerade das Zeichen Christi. Das heilige Evangelium sagt uns, daß am Ende der Zeiten das Kreuz als „Zeichen des Menschensohns am Himmel erscheinen wird“ (Matthäus 24,30). So werden die Menschen „Den sehen, Den sie durchbohrt haben“ (Johannes 19,37). Denn jede Sünde bedeutet einen Schlag für die Liebe, einen neuen Stich in die Seite Christi, aus der der Welt die Leben schenkenden Sakramente zugekommen sind: die Taufe, die Eucharistie und alles Andere.

Meine geliebten geistlichen Kinder,

Das neue Leben, das wir Christen bei unserer Taufe geschenkt bekommen haben, und das wir mit jeder Kommunion am Heiligen Leib und Teuren Blut des Erlösers erneuern, hat als bestimmende Züge gerade die Freude und den Glaubensmut. Es ist wahr, daß wir auf unserem Pilgerweg hier auf Erden alle mit unzähligen Versuchungen und Schwierigkeiten konfrontiert sind, mit allen möglichen Leiden und Feindseligkeiten bis hin letztlich zum Tod. Dies ist unausweichlich, auch im Leben eines Heiligen. Doch sie sind sogar notwendig, weil wir nur im geistlichen Kampf unseren Glauben stärken können und die Erfahrung der wunderbaren Hilfe Gottes machen. Wir dürfen nie vergessen, daß sich in all diesen Erfahrungen von Schwäche und Leiden die Kraft der Auferstehung Christi verbirgt, die dann in uns mächtig wird, wenn wir wahrhaftig glauben, daß wir mit Ihm siegen werden, so schwer die Versuchung auch ist und wie lange sie auch dauern möge. Deshalb dürfen wir nie den Mut verlieren, durch Beten und Fasten zu kämpfen, mit viel Geduld und Tapferkeit bis zum großen Sieg. Denn „alle Dinge sind möglich dem, der glaubt“ (Markus 9,23). Der Herr hat den Jüngern gesagt, und er sagt es auch uns: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Johannes 6,33). Und Er hat uns auch mit den Worten getröstet: „siehe, ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28, 20). Welches größere Versprechen hätte uns der Herr geben können als dies: daß Er alle Tage bei uns sein wird. Und welchen Mut können wir nicht aus diesem Versprechen gewinnen, wenn wir uns bemühen, daß auch wir bei Ihm bleiben.

Wenn in anderen Religionen dem Menschen gelehrt wird, wie er das Leid fliehen solle, so lehrt uns in unserem christlichen Glauben Christus der Herr, daß wir mit dem Bösen und dem Leiden kämpfen sollen, um beides zu besiegen und mit Seiner Hilfe zu verwandeln. Er Selbst ist vor dem Leiden nicht geflohen, auch nicht vor dem Sterben, sondern hat dies aus freien Stücken auf sich genommen, gerade um beides zu besiegen und von seiner Grundlage her aufzulösen: der Entfremdung von Gott. Wir können alle sagen, daß wir im Leiden näher an Gott sind und Seine Hilfe viel stärker wahrnehmen und erfahren. Und weil wir in den Leidenserfahrungen unseres Lebens „mit Christus leiden“, müssen wir uns freuen, wie uns der heilige Apostel Petrus anleitet (1. Petrus 4, 13). Man beachte dieses große Paradox: sich am Leiden, den Versuchungen und Unglückserfahrungen zu erfreuen!

In den neun Seligpreisungen aus der Bergpredigt, die eine Synthese der Evangelien darstellen, preist der Herr und Erlöser gerade die geistlich Armen, die Leidenden, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten, die von den Menschen Seinetwillen Geschmähten und Verfolgten, wie auch die Sanftmütigen, die Barmherzigen und die reinen Herzens sind (Matthäus 5,2-12).

Ohne Zweifel ist das entscheidende Merkmal des Christentums die Freude, die nur aus dem Ertragen von Leid und Unglücksfällen im Leben erwächst. So heiligen wir unser Leben und nehmen teil an der Passion, dem Sterben und der Auferstehung Christi.

Wenn die Menschen heute so wenig Freude im Leben empfinden, dann deshalb, weil sie immer weniger Glauben haben, weniger Geduld und dafür umso mehr Ansprüche. Wir alle wollen ein möglichst leichtes Leben führen, alles haben und daß es uns immer nur gut geht… Doch dieses Wunder geschieht nur bei einem wirklich gläubigen Menschen, der mit dem Vielen oder Wenigen, was er hat, zufrieden ist, der sich über Krankheit wie über die Gesundheit freut, der nicht vor der Erfüllung seiner Pflichten flieht, sondern der alles so tut, als tue er es „dem Herrn und nicht den Menschen“ (Kol 3,23), und der deswegen immer eine positive Einstellung zu den Versuchungen des Lebens hat.

Meine geliebten geistlichen Kinder,

Wie Ihr alle wißt, wurde am 25. April dieses Jahres in Luxemburg der Beitrittsvertrag unseres Landes mit der Europäischen Union unterzeichnet. Durch diesen von unserem Volk so sehr herbeigesehnten Akt eröffnet sich uns der Weg unserer Integration in die Reihe der demokratischen Staaten nach 45 Jahren kommunistischer Diktatur und 15 Jahren schmerzhafter Transformation. Dies geschieht zurecht, und wir können stolz darauf sein. Wenn wir uns vor nicht allzu langer Zeit als Rumänen noch aufgrund unserer berechtigten oder unberechtigten Isolation geschämt haben zu sagen, daß wir Rumänen sind, so braucht sich von jetzt an niemand mehr seiner Idenität zu schämen. Das vereinigte Europa ist ein Europa sich ergänzender Nationen und Kulturen – und muß dies auch sein. Wir sind alle vor Gott und unseren Nächsten gleich – sowohl als Personen, als auch als Völker. Jeder Mensch und jedes Volk hat den Anderen das Beste zu geben von dem, was man zu bieten hat, und gleichzeitig sich auch selbst ständig weiterzuentwickeln dank dessen, was die Anderen an Gutem zu bieten haben.

Wir Rumänen haben dem vereinten Europa viel zu geben. In erster Linie unsere gläubige, gutmütige und bescheidene Seele, unsere orthodoxe Spiritualität – jene Mystik, von der der französische Schriftsteller Malreaux (†1976) gesagt hat, daß ohne sie das 21. Jahrhundert nicht existieren können wird, doch auch unsere besonders reiche Kultur und die Intelligenz so vieler Rumänen, vor allem der jungen Leute, die schon in den westlichen Staaten leben. Dazu haben wir vor Gott die Verpflichtung, unseren orthodoxen Glauben und die orthodoxe Spiritualität so bewußt wie möglich zu kennen und zu leben, indem wir uns in die Kirchengemeinden eingliedern, die wir hier im Westen haben, und diese auch unterstützen, um Zeugnis ablegen zu können von unserem Glauben gegenüber denen, die aus ihm Inspiration erhoffen.

Gott will, daß die Rumänen von ihren europäischen Nachbarn mehr Respekt vor dem Gesetz lernen, mehr Disziplin und Seriösität in dem, was sie tun, und mehr Solidarität und Engagement im gesellschaftlichen Leben für die Gemeinschaft.

Nur „wenn wir geben werden wir auch bekommen“ (Vater Nicolae Steinhardt), nur wenn wir unsere Nächsten lieben und respektieren, werden wir auch respektiert und geliebt. Mit anderen Worten: nur durch die Erfüllung der Gebote Gottes werden wir Freude zur Fülle in unseren Herzen empfinden und glücklich sein. Wer in der Sünde verharrt und nicht Buße tut, der wird nie glücklich sein können, sondern wird immer unglücklich sein. Der leidenschaftliche Mensch, sagen die Heiligen, wird sich nie an einem Feiertag freuen können.

In der Hoffnung, daß diese von Herzen kommenden Weisungen auch Euer aller Herzen bewegen und bei Euch Freude und Mut daran steigern, täglich das Kreuz zu tragen, umarme ich Euch alle mit einer heiligen Umarmung in Christus Dem Auferstandenen und wünsche Euch, die Heiligen Feiertage der Auferstehung des Herrn in Frieden und Gesundheit zu verbringen.

Christus ist auferstanden! und

Gesegnete Feiertage!

Euer allzeit zu Gott betender und Euch Gutes wünschender

† Serafim

Gegeben in unserer Metropolitanresidenz zu Nürnberg am Hochfest der Auferstehung des Herrn im Jahr der Erlösung 2005

Übersetzung: Pfarrer Dr. Jürgen Henkel (Sibiu-Bukarest)